Die Zahlen sind alarmierend: Schätzungen zufolge haben mittlerweile rund 200.000 Menschen den Norden des Landes verlassen. Geflüchtet sind sie aus Städten wie Kidal und Tessalit im äußersten Nordosten des Landes. Jetzt versuchen sie, weiter im Süden, beispielsweise in Mopti oder Gao, zu überleben, machen sich aber auch auf den Weg in die Nachbarländer Burkina Faso und Niger. "Der ganze Nordosten ist nicht mehr unter der Kontrolle der Armee", erklärt Yehia Ag Mohamed Ali, nationaler Koordinator des deutschen Entwicklungshilfeprogramms Mali-Nord. Nicht viel besser sieht es im Nordwesten des Landes aus. Wer dort lebt, für den ist häufig Mauretanien der letzte Ausweg.
Bereits Mitte Januar hatten die ersten Flüchtlinge ihre Heimat verlassen. Denn seitdem nimmt die Tuareg-Armee MNLA (Nationale Befreiungsbewegung Azawad) immer weitere Teile der Region ein. Die malischen Soldaten mussten bisher mehr oder weniger machtlos zuschauen. Nicht-staatliche Hilfsorganisationen, aber auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR, haben Flüchtlingscamps aus dem Boden gestampft und versuchen, Nahrungsmittel in die gebeutelte Region zu bringen.
Kein neues Problem
Dabei ist das Problem im Norden nicht neu - im Gegenteil. "Es geht auf das Jahr 1990 zurück, als die Stadt Menaka angegriffen wurde", sagt Yehia Ag Mohamed Ali. Der Angriff durch die Tuareg gilt als Beginn der Rebellion, die sich bis in den Nachbarstaat Niger ausbreitete und Zehntausende Menschen in die Flucht trieb. Die Anhänger der Befreiungsbewegung setzten damit ein deutliches Zeichen, ihre Marginalisierung durch die Regierung in Bamako nicht länger hinnehmen zu wollen; sie forderten mehr Autonomie.
Damals hatten die Tuareg keine Chance gegen die übermächtige Armee: Ein Jahr später konnte allerdings ein erstes Abkommen zwischen den gegnerischen Gruppen unterzeichnet werden. Unter anderem wurde den Nomaden - schätzungsweise sind in Mali zehn Prozent der Einwohner Tuareg - eine bessere Integration in die malische Gesellschaft versprochen. Ein Hoffnungsschimmer hätte auch der politische Wechsel in Bamako sein können. Am 26. März 1991 putschte ausgerechnet der jetzt abgesetzte Präsident Amadou Toumani Toure gegen das Militärregime in seiner Heimat. Der Putsch führte zu einem friedlichen Machtwechsel. Ein Jahr später wurde Alpha Konare demokratisch zum Präsidenten gewählt.
Wohl keine schnelle Lösung
Nachhaltig verbessert hat sich die Situation für die Tuareg dadurch jedoch nicht. "Seit dem Wechsel ist es zu Massakern gekommen", sagt Yehia Ag Mohamed Ali. Diese lösten weitere Flüchtlingsströme in die Nachbarländer aus, vor allem nach Algerien. Von einer nachhaltigen Lösung auf politischer Ebene fehlt jedoch jede Spur. So kam es im Jahr 2007 zu neuen Unruhen. Toure wird vorgeworfen, sich nicht um eine wirkliche Lösung bemüht zu haben.
Geändert haben sich jedoch die Rahmenbedingungen: Anders als früher verfügen die Tuareg über bessere Waffen. Zudem wird der malische Staat noch durch einen weiteren Gegner geschwächt: AQMI, El Kaida im islamischen Maghreb. Die Gruppe hat sich längst im Sahel ausgebreitet und soll im vergangenen November für mehrere Entführungen von Europäern verantwortlich gewesen sein. Mit einer schnellen Lösung des derzeitigen Konflikts ist daher auch in der jetzigen Situation nicht zu rechnen.
Tuareg im Norden Malis fühlen sich seit langem marginalisiert
Der Putsch löst das Problem nicht
In Mali bleibt der Staatsstreich das beherrschende Thema: Werden die Putschisten doch noch aufgeben? Eines ist klar: Allein die Absetzung von Ex-Präsident Toure löst den seit mehr als 20 Jahren schwelenden Konflikt nicht. Allerdings könnte nun endlich Bewegung in die verfahrene Situation kommen.
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