Tuareg kämpfen gemeinsam mit Islamisten

Unheilvolle Allianz in der Sahara

Die Tuareg in Mali galten einst als Bollwerk gegen den religiösen Fundamentalismus. Doch nun kämpfen die "blauen Ritter der Wüste" im Norden offenbar Seite an Seite mit islamistischen Rebellen und eroberten Timbuktu. Die Armee scheint gelähmt.

Autor/in:
Bettina Rühl
 (DR)

Einer Musterdemokratie in Afrika droht der Fall in die Anarchie. Am 21. März haben Militärs in Mali den gewählten Präsidenten Amadou Toumani Touré gestürzt, um entschiedener gegen die Tuareg-Rebellen im Norden vorzugehen. Doch nun erschüttert die dritte Tuareg-Rebellion Mali schlimmer denn je. Die Städte Kidal, Gao und Timbuktu fielen am Wochenende in die Hände der Aufständischen.



"Wer immer in Mali einen islamischen Staat schaffen will, ist für uns. Wer gegen einen islamischen Staat ist, ist gegen uns", erklärte der Tuareg-Führer Iyad Ag Ghaly Mitte März. Er hat sich im Aufstand der Tuareg-Minderheit in den 90er Jahren einen Namen gemacht. Jetzt ist er wieder Teil der Tuareg-Rebellion und führt die islamistische Bewegung Ansar Dine. Daneben gibt es die laizistische "Bewegung für die Befreiung des Awazad" (MNLA). Awazad nennen die Tuareg die von ihnen bewohnte Region in der Sahara, für deren Unabhängigkeit sie kämpfen.



"Al-Kaida im Maghreb"

Das Verhältnis der beiden bewaffneten Gruppen zueinander ist nicht ganz klar, sie scheinen sich zumindest zu tolerieren. Bei der Einnahme der Städte am Wochenende scheinen sie ihre militärischen Kräfte vereint zu haben - eine unheilvolle Allianz. Denn die Ansar Dine ist für ihre Nähe zum Terrornetzwerk Al-Kaida bekannt, sie gehört zur "Al-Kaida im Maghreb", die schon seit einigen Jahren in der Sahelzone operiert.



Die "Al-Kaida im Maghreb" ist ein politischer Ausläufer der islamistischen Terrorgruppen, die Algerien in den 90er Jahren an den Rand des Staatszerfalls brachten. Im Terror der 90er Jahre wurden in Algerien bis zu 200.000 Menschen getötet, darunter viele von der Armee und dem Geheimdienst. Seit den späten 90er Jahren versuchte die Organisation, sich nach Süden ausbreiten, aber die Tuareg-Nomaden waren lange ein Bollwerk gegen die islamistischen Einflüsse.



Die Tuareg, die wegen ihrer blauen Gewänder und Turbane oft romantisierend die "blauen Ritter der Wüste" genannt werden, sind traditionell gemäßigte Muslime. "Wir brauchen niemanden, der uns den Islam erklärt", sagten sie noch vor wenigen Jahren, um ihre Abneigung gegen die Islamisten zu begründen. Untermauert wurde das Argument mit den Ethnien: Die Tuareg sind Berber, die von außen kommenden Islamisten sind Araber.



Kampf um Schmuggelrouten durch die Wüste

Doch inzwischen tobt der Kampf um die Kontrolle über die Schmuggelrouten durch die Wüste: Waffen, Drogen und afrikanische Migranten werden auf geheimen Wegen durch die Sahara geschleust. Für die Tuareg waren die Islamisten vor allem auch geschäftliche Konkurrenten, und schon deshalb erklärte Feinde. Die Konkurrenz verhinderte, dass eine der beiden bewaffneten Gruppierungen allzu stark wurde. Tun sie sich nun zusammen, ändert das die Situation. Dann gibt es im Sahel kaum eine militärische Macht, die ihnen Paroli bieten kann. Der Konflikt droht, die ganze Region zu destabilisieren.



Die malische Armee, die schon Anfang des neuen Jahrtausends gegen den Einfluss der Islamisten kämpfte, hatte sich die Tuareg erst viel zu spät zur Hilfe gegen die Islamisten geholt. Dabei waren die Nomaden in den Weiten des Sahel immer gut darüber informiert, wer sich mit welchen Absichten in der Wüste aufhielt. Aber die Tuareg sind in die staatlichen Institutionen der im Süden ansässigen Regierung nicht richtig integriert.



Der jüngste Aufstand, der Mitte Januar begann, wurde durch den Sturz Gaddafis gezündet: Tuareg, die für den libyschen Diktator gekämpft hatten, kamen mit schweren Waffen nach Mali zurück. Die Schwäche der malischen Armee, die Rebellen zu stoppen, war der Auslöser für den Putsch gegen Präsident Touré. Doch die Putschisten um Hauptmann Amadou Sanogo schafften es bisher nicht, den Vormarsch zu stoppen. Im Gegenteil: Es entstand ein Machtvakuum, das den aufständischen Tuareg erst recht große Geländegewinne ermöglichte.

Unterdessen wächst international der Druck, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen. Zugleich leidet die Bevölkerung unter Lebensmittelknappheit wegen einer schweren Dürre.