Türkei: Getöteter Deutscher hatte Arbeitserlaubnis als Lehrer

Kritik am Umgang mit religiösen Minderheiten im Land

Nach dem Überfall auf einen Bibel-Verlag in der osttürkischen Stadt Malatya haben sich Politiker besorgt über mangelnde Akzeptanz religiöser Minderheiten in der Türkei gezeigt. Vier Verdächtige gestanden türkischen Zeitungsberichten zufolge die Tat, bei der drei Verlagsmitarbeiter, darunter ein Deutscher, getötet wurden. Bei dem Deutschen handele es sich um einen 45 Jahre alten Mann, der in der Türkei eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis als Lehrer hatte.

 (DR)

In türkischen Medien wurde berichtet, es handele sich bei dem getöteten Deutschen um den Übersetzer Tilman G., der seit mehreren Jahren in Malatya lebte.

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder warf dem Land Christenfeindlichkeit vor. "Immer wieder werden Christen in der Türkei Opfer von Gewalt", sagte Kauder. Er fordere daher, "den geistigen Nährboden trockenzulegen, auf dem Gewalttaten wie diese gedeihen". Neben islamistischer Propaganda zähle dazu auch der türkische Nationalismus. Die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach, verurteilte die Tat als "Akt der Barbarei".

Auch der Kirchenbeauftragte der FDP-Fraktion, Hans-Michael Goldmann, sagte, nach wie vor gebe es in der Türkei große Probleme mit der Akzeptanz von kulturellen und religiösen Minderheiten. Die SPD-Islambeauftragte Lale Akgün forderte die türkische Regierung auf, Missionierung nicht mehr als Problem darzustellen. "Für mich ist das freie Meinungsäußerung", sagte sie dem Sender Radiomultikulti vom Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Besorgt über die Sicherheit der Christen in der Türkei äußerte sich der Pfarrer der deutschen Auslandsgemeinde in Istanbul, Holger Nollmann. Erstmals habe sich ein gewalttätiger Anschlag gezielt gegen eine türkisch-protestantische Gemeinde gerichtet, sagte Nollmann in einem epd-Gespräch. "Es sind Menschen deshalb ermordet worden, weil sie Christen sind", so Nollmann. "Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, dass das zunimmt."

Der Sprechers des neu gegründeten Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, betonte, Taten wie diese dürften niemals geduldet werden. "Es gibt keine religiöse Rechtfertigung für solche Überfalle", sagte er. Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte die Türkei auf, gesellschaftliche Verantwortung für die Taten zu übernehmen und offen über den Umgang mit Minderheiten und Andersdenkenden zu sprechen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisierte eine "zunehmend antichristliche Entwicklung" in dem Land. Die in der Türkei herrschende Staatsideologie bediene sich des gleichgeschalteten sunnitischen Islams, um die Demokratisierung des Landes zu verhindern, sagte Generalsekretär Tilman Zülch.