Türkei: Nach acht Monaten wird der 17-jährige aus der Haft entlassen

"Marco ist frei! Marco ist frei!"

Mehr als acht Monate saß der 17-jährige Marco W. aus Uelzen in der Türkei in Untersuchungshaft - angeklagt wegen sexuellen Missbrauchs. Nun hat ihn das Gericht in Antalya ohne Auflagen entlassen. Der Prozess soll zwar fortgesetzt werden, zunächst überwog aber die Freude über die Freilassung. .

 (DR)

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat mit großer Freude auf die Freilassung des seit acht Monaten in der Türkei inhaftierten 17-jährigen Marco aus Uelzen reagiert. "Ich freue mich mit ihm und seiner Familie über diese Entscheidung, die gerade so kurz vor dem Weihnachtsfest die Herzen der Menschen bewegt", sagte Käßmann am Freitag dem epd.

Viele Menschen hätten in den Kirchengemeinden regelmäßig für Marco gebetet. "Vor zwei Wochen habe ich in der Andacht zur Eröffnung des lebendigen Adventskalenders am Rathaus in Uelzen Marco einen Engel zur Seite gewünscht", sagte Käßmann. Bei allem Respekt vor der türkischen Rechtssprechung sei eine so lange Untersuchungshaft für einen Minderjährigen nach dem deutschen Rechtsempfinden völlig unverständlich.

Spontane Andacht
Mitglieder der Uelzener evangelischen St.-Petri-Gemeinde luden für Freitagabend spontan zu einer Andacht in die Kirche ein. Die Menschen vor Ort seien sehr erleichtert, dass Marco noch vor Weihnachten freigekommen sei, sagte Pastor Michael Dierßen. Bei der Andacht wollten alle, die dazu beigetragen hätten, Marco in dieser schwierigen Situation Halt zu vermitteln, ihrem Dank und ihrer Freude Ausdruck verleihen.

In St. Petri wurde Marco konfirmiert, seine Eltern engagieren sich in der Gemeinde. Menschen aus der Gemeinde hatten seit seiner Inhaftierung jeden Mittwochabend bei einer Friedensandacht in der Kirche für ihn gebetet.

Unmittelbar nach der Bekanntgabe der Freilassung aus der Untersuchungshaft soll Marco W. mit einem Gefangenentransporter vom Gericht zurück ins Gefängnis gebracht worden sein, um dort seine persönliche Habe zu holen. Anschließend soll er zum Flughafen gefahren worden sein, um den Heimflug anzutreten. Der Prozess soll am 1. April kommenden Jahres in Antalya fortgesetzt werden.
Der 17-Jährige wird beschuldigt, die vier Jahre jüngere Britin Charlotte im April im türkischen Urlaubsort Side sexuell missbraucht zu haben. Der deutsche Schüler hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und von einem einvernehmlichen Kontakt gesprochen.

Merkel: Ich freue mich
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich auf dem EU-Gipfel in Brüssel zum Fall Marco. "Ich freue mich, dass heute die Entscheidung getroffen wurde, dass Marco erstmal frei ist und nach Hause kann", sagte die Kanzlerin. Mit ihm freuten sich viele Menschen in Deutschland. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich erleichtert.

In Marcos Heimat Uelzen wurde die Nachricht von der Freilassung mit großem Jubel aufgenommen. Die Menschen bei den Mahnwachen in der Stadt skandierten nur wenige Sekunden nach Bekanntwerden der Nachricht "Marco ist frei! Marco ist frei!". Außerdem bildete sich ein Autokorso, der von Marcos Bruder Sascha angeführt wurde. Marcos Mutter, die sich am Freitag in Uelzen aufgehalten haben soll, zeigte sich bislang nicht der Öffentlichkeit.

Mehrere Prozessbeobachter hatten noch am Freitagmittag nicht mit einer Freilassung des Jungen gerechnet. Entgegen ersten Aussagen des türkischen Richters verzögerte sich die Fortsetzung des Prozesses von 13.30 Uhr auf kurz nach 15.00 Uhr. Die Beobachter hatten dies als schlechtes Zeichen für Marco gewertet.

"Ja, er wird am Freitag auf Kaution freigelassen"
Dagegen hatte der Türkei-Experte Faruk Sen bereits am Donnerstag gesagt, er rechne damit, dass der 17-Jährige auf freien Fuß kommen werde. "Ja, er wird am Freitag auf Kaution freigelassen", sagte der Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien. Das türkische Justiz- und Tourismusministerium hätten das "geregelt".

Zum neunten Verhandlungstag hat nun offenbar auch die mehr als 140-seitige Aussage des angeblichen Missbrauchsopfers Charlotte vorgelegen. Das Mädchen hatte Anfang Oktober eine Aussage bei der britischen Polizei gemacht. Diese Aussage hatte dem Gericht bislang nicht im Original zur Verfügung gestanden, weshalb der Prozess mehrmals vertagt werden musste.