Tutu-Tochter und Priesterin zu Homosexualität in der Kirche

"Kriminalisierung ist Erbe der Kolonialmächte"

Die südafrikanische Priesterin Mpho Tutu van Furth hat die Entscheidung der Church of England begrüßt, künftig auch homosexuelle Paare zu segnen. "Es ist ein guter Schritt", sagte die Tochter des Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu.

Autor/in:
Markus Schönherr
Mpho Andrea Tutu van Furth / © Markus Schönherr (KNA)
Mpho Andrea Tutu van Furth / © Markus Schönherr ( KNA )

Mpho Andrea Tutu van Furth weiß, was es heißt, gegen Widerstand zu kämpfen. Das wurde ihr von ihrem Vater, dem anglikanischen Erzbischof, Anti-Apartheid-Aktivisten und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu (1931-2021) in die Wiege gelegt. 2016 heiratete die Priesterin der amerikanischen Episcopal Church ihre langjährige Lebenspartnerin aus den Niederlanden. In der anglikanischen Gemeinschaft stieß sie damit auf Widerstand, wie sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erzählt.

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Frau Tutu van Furth, Ihr Vater starb vor etwas mehr als einem Jahr. Wie gehen sie als Familie mit dem Verlust um?

Mpho Andrea Tutu van Furth (Priesterin der amerikanischen Episcopal Church): Es schmerzt. Aber es ist Tatsache, dass wir nicht allein trauern und dass so viele Menschen rund um die Welt vom Leben meines Vaters ergriffen waren und heute noch mit uns trauern.

Mpho Andrea Tutu van Furth, Priesterin der amerikanischen Episcopal Church

"Solange wir im Gespräch bleiben, besteht die Hoffnung, dass wir einen Weg hin zu einer liebevolleren Haltung finden."

KNA: Wie hat Ihr Vater Ihre Berufswahl beeinflusst?

Tutu van Furth: Indem er einfach mein Vater war. Oft ist es doch so, dass, wenn Kinder ihre Eltern in Berufen sehen, die sie lieben und in denen sie vollkommen aufleben, sie das beeinflusst. Vielleicht spielte das auch bei meinem Vater und mir eine Rolle.

Kirchen in Südafrika

Die meisten Südafrikaner sind Christen, wobei es viele weitere Kirchen gibt. Mit rund 2,5 Millionen Mitgliedern ist die afrikaans-sprachige Nederduits Gereformeerde Kerk (NG Kerk, Dutch Reformed Church) die größte Glaubensgemeinschaft. Die Nederduits Gereformeerde Kerk ist die Kirche der weißen Afrikaner sowie eines Großteils der Coloureds, die allerdings der separaten Uniting Reformed Church angehören. Die Ursprünge gehen auf die Konfession der ersten holländischen Siedler im 17ten Jahrhundert zurück.

Südafrikanische Fahne / © Aleks Shutter (shutterstock)
Südafrikanische Fahne / © Aleks Shutter ( shutterstock )

KNA: Wo sind Sie derzeit als Priesterin tätig?

Tutu van Furth: Ich arbeite mit zwei Kirchengemeinden in Amsterdam und einer Online-Gemeinde, die während der Covid-Pandemie entstand. Die Mitglieder sind über die ganze Welt verstreut und gehören auch verschiedenen Konfessionen an.

KNA: Aber es ist kein Zufall, dass Sie nicht mehr in Südafrika arbeiten. Weshalb sind Sie und die Anglikanische Kirche von Südafrika getrennte Wege gegangen?

Tutu van Furth: Ich würde nicht sagen, dass sich unsere Wege getrennt haben. Ich habe unter Lizenz in Südafrika gearbeitet, denn ich wurde von der Episkopalkirche in den USA zur Priesterin geweiht. Als ich meine heutige Ehefrau Marceline heiratete, musste der zuständige Bischof meine Lizenz, Gottesdienste abzuhalten, zurückziehen. Daraufhin zog ich nach Amsterdam, um bei meiner Frau zu leben.

KNA: Was halten Sie von der jüngsten Entscheidung der Church of England, künftig gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen?

Tutu van Furth: Es ist ein guter Schritt, es ergibt Sinn. Zugleich geht der Schritt nicht weit genug, wir sprechen hier noch nicht von voller Inklusion, sondern immer noch von einer Art Zweite-Klasse-Status. Aber ich verstehe diese Bindung an Traditionen und dass wir lange brauchen, um zu erkennen, wenn Traditionen einfach falsch sind. Solange wir im Gespräch bleiben, besteht die Hoffnung, dass wir einen Weg hin zu einer liebevolleren Haltung finden.

KNA: Zugleich warfen einige anglikanische Erzbischöfe im Globalen Süden ihrer Mutterkirche vor, vom rechtmäßigen Glauben abgekommen zu sein. Was halten Sie davon?

Tutu van Furth: Als Menschen können wir sehr dickköpfig sein, wenn es um unsere Traditionen und Überzeugungen geht. Aber das Evangelium lädt uns immer dazu ein, an Liebe zu glauben und zu hinterfragen: Wo bleibt die Liebe bei der von mir eingenommenen Haltung?

KNA: Denken Sie also nicht, dass die Entscheidung einiger Kirchenführer, Erzbischof Justin Welby nicht mehr als Oberhaupt der Anglikaner anzuerkennen, unweigerlich zu einer Spaltung führt?

Mpho Andrea Tutu van Furth, Priesterin der amerikanischen Episcopal Church

"Ich denke, selbst im Globalen Süden werden Bischöfe letztlich einsehen, dass sie sich mit Themen wie menschlicher Sexualität werden auseinandersetzen müssen."

Tutu van Furth: Natürlich könnte es zu einer Spaltung kommen. Aber an genau dieser Kippe stehen wir mittlerweile seit über einem Jahrzehnt. Das gleicht einem schmerzvollen Stillstand. Ich denke, selbst im Globalen Süden werden Bischöfe letztlich einsehen, dass sie sich mit Themen wie menschlicher Sexualität werden auseinandersetzen müssen. Denn das Queer-Dasein ist kein Zustand, der an den Westen oder an den Globalen Norden gebunden ist.

KNA: Vor kurzem sprach sich Papst Franziskus gegen eine Kriminalisierung von Homosexualität aus. Heute noch stellen mehr als 30 afrikanische Länder Homosexualität unter Strafe. Sollte der Westen hier Druck machen?

Blumen und ein Foto des anglikanischen Erzbischofs Desmond Tutu hängen an einem Gerüst in der St. George's Kathedrale in Kapstadt / © Uncredited/AP (dpa)
Blumen und ein Foto des anglikanischen Erzbischofs Desmond Tutu hängen an einem Gerüst in der St. George's Kathedrale in Kapstadt / © Uncredited/AP ( dpa )

Tutu van Furth: Man muss bedenken, dass ein Großteil der Kriminalisierung von Homosexualität ein Erbe ist, das westliche Kolonialmächte in Afrika zurückließen. Das jetzt umzudrehen und afrikanische Länder zu bestrafen, ergibt für mich keinen Sinn. Das wäre die Wiedererweckung eines Überlegenheitsgefühls nach dem Motto: "Wir wissen, was gut für euch ist." Bei einem zweckdienlichen Dialog geht es nicht ums Verurteilen, es geht eher darum zu sagen: Schaut auf eure eigene Kulturgeschichte, um einen afrikanischen Ansatz für menschliche Sexualität zu finden.

KNA: Was würde Ihr Vater zu den vielen Missständen sagen, die Südafrika heute plagen? Stichwort Stromkrise, Arbeitslosigkeit, Korruption.

Tutu van Furth: Mein Vater hat seine Enttäuschung klar zum Ausdruck gebracht über die Regierung, die sich eher darauf konzentriert, sich zu bereichern, als darauf, die Mittellosen voranzubringen. Die Armutssituation wurde in den vergangenen Jahren noch elender, Corona hat uns auch keinen Gefallen getan. Sowohl Korruption als auch Verzweiflung nehmen zu. Dazu hat mein Vater bis in seine letzten Tage das Wort ergriffen.

KNA: Trotz aller Krisen: Ist irgendetwas von Nelson Mandelas Idealismus übriggeblieben?

Tutu van Furth: Es kommt darauf an, wo wir ihn suchen. Auf Regierungsebene werden wir ihn vermutlich nicht finden. Was wir in Südafrika hingegen sehen, ist die Wiedergeburt und das Wiedererstarken der Zivilgesellschaft, die bereits während der Apartheid sehr stark war. Das macht zuversichtlich.

Quelle:
KNA