Bekommt Prag seine katholische Mariensäule doch zurück?

Überraschend barocke Wende im Gemeinderat

Neuerliche Wende im jahrelangen Streit um die Wiedererrichtung der barocken Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag: Der Gemeinderat widerrief seine Entscheidung von 2017 - und gab nun Grünes Licht.

Autor/in:
Hans-Jörg Schmidt und Alexander Brüggemann
Teile der Replik der historischen Mariensäule in Prag / © Petr Salek (dpa)
Teile der Replik der historischen Mariensäule in Prag / © Petr Salek ( dpa )

Seit über 100 Jahren thront auf dem zentralen Prager Altstädter Ring ein überdimensionaler Jan Hus als Symbol des tschechischen Protestantismus. Hus (1369-1415) wird in Tschechien hoch verehrt und dient bis heute als Ausdruck böhmischer Rebellion gegen die jahrhundertelange katholische Übermacht aus Wien. Zu seinem 500. Todestag 1915 wurde sein Denkmal eingeweiht.

1918 schleifte man lustvoll die nur 30 Meter entfernte katholische Mariensäule - fünf Tage, nachdem sich die Tschechoslowakei von Habsburg losgesagt hatte und also keine Gegenaktion aus Wien mehr drohte. Mit dem Einreißen der Mariensäule sollte ein Schlussstrich unter 300 Jahre "Knechtschaft" gesetzt werden. An deren Anfang stand vor genau 400 Jahren die Schmach der protestantischen böhmischen Stände: die verloren gegangene Schlacht am Weißen Berg gegen die katholischen Habsburger 1620.

Mariensäule könnte wieder aufgebaut werden

Und wenn die Tschechen in einer ihrer seltenen Aufwallungen revolutionärer Erregtheit etwas taten, dann taten sie es richtig. Von der stolzen, 14 Meter hohen Säule blieb kaum etwas übrig; nur einige Teile, darunter der Kopf der Jungfrau Maria. Sie werden seitdem im Nationalmuseum aufbewahrt.

Schon seit der "Wende" 1989 bemühten sich viele traditionsbewusste - und keineswegs explizit katholische - Tschechen um den Wiederaufbau.

Der Ort, an dem die Säule stand, ist genau markiert, für die Prager wie für Touristen. Nun endlich könnte das Symbol des einst verhassten Katholizismus auf dem Altstädter Ring tatsächlich wieder aufgerichtet werden. Der Gemeinderat widerrief in der vergangenen Woche seine eigene Entscheidung von 2017 - und gab mehrheitlich Grünes Licht, wie "Radio Prag" berichtet.

Dank des Prager Kardinals

Der Prager Kardinal Dominik Duka bedankte sich für das neue Votum. Die Mariensäule werde als Symbol von Versöhnung und ökumenischer Zusammenarbeit wiedererrichtet, schrieb er via Twitter. Die meisten Teile der vom Bildhauer Petr Vana gefertigten Nachbildung der barocken Säule sind seit langem fertig, befinden sich schon in Prag.

Die ursprüngliche Säule des Barockbildhauers Johann Georg Bendl (vor 1620-1680) stand seit Mitte des 17. Jahrhunderts auf dem Altstädter Ring. Sie galt als Dank für die Rettung Prags vor dem schwedischen Heer zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648, das bereits bis zur Karlsbrücke vorgerückt war. Kaiserliche Söldner und Studenten hielten die Brücke hartnäckig.

Am 22. April 1650 dekretierte Kaiser Ferdinand III. den Bau einer Säule zu Ehren Marias. Sie solle wie "alhier zu Wien aufm Hof, auch allda zu Prag, auf dem Altstädter Platz" aufgerichtet werden. Und so lautete auch die lateinische Inschrift: "Der ohne Makel der Erbsünde empfangenen jungfräulichen Gottesmutter errichtete der Kaiser aus frommem und gerechtem Dank für die Verteidigung und Befreiung der Stadt dieses Standbild." Im Juli 1652, am Geburtstag des Kaisers, wurde die Säule eingeweiht - nachdem man zuvor den öffentlichen Richtplatz als Stätte der Blutgerichtsbarkeit vom Altstädter Ring entfernt hatte.

Das Projekt einer Wiederaufstellung des Habsburger-Symbols stieß im Postwende-Prag erwartungsgemäß auf anhaltenden Widerstand; von einem Sinnbild "gegenreformatorischen Totalitarismus" war die Rede. Eine besondere Idee hatte zu Beginn der 2010er Jahre das Enfant terrible der tschechischen Kunstszene, Milan Knizak. Er warb dafür, besser das wenig gelungene Hus-Denkmal abzureißen, als die Mariensäule wieder aufzurichten. Damit blieb er allerdings ziemlich allein. In jeder mittleren Stadt in Böhmen und Mähren steht heute eine Mariensäule, ohne dass sich jemand daran störte. Nur Prag macht eine Ausnahme - noch.


 Das Jan-Hus-Denkmal in Prag / © Michael Merten (KNA)
Das Jan-Hus-Denkmal in Prag / © Michael Merten ( KNA )

Zeigt sich volksnah: Kardinal Dominik Duka (l.) / © Paul Haring (KNA)
Zeigt sich volksnah: Kardinal Dominik Duka (l.) / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA