Ukrainisch-Orthodoxer Außenamts-Vize blickt auf Diasporalage

"Unsere Präsenz ist eine Tatsache"

Wie geht Kirche im Exil? Der Erzpriester Mykola Danylewytsch ist Vize-Chef des Außenamts der Ukrainischen Orthodoxen Kirche Kiews. Er erklärt die Gemeindearbeit seiner Kirche in Deutschland und Probleme mit Moskau und Konstantinopel.

Kreuz eines orthodoxen Priesters / © Stanislav Mirchev (shutterstock)
Kreuz eines orthodoxen Priesters / © Stanislav Mirchev ( shutterstock )

KNA: Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) hat erst seit Kurzem eigene Gemeinden in Deutschland. Wann und wo gab es die erste Pfarrei? 

Mykola Danylewytsch (Stellvertretender Leiter des Außenamts der Ukrainischen Orthodoxen Kirche in Kiew): Die erste Gemeinde in Deutschland, die nach dem Ausbruch des Krieges gegründet wurde, war die Gemeinde zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit in Leipzig. Der erste Gottesdienst in der Gemeinde fand an Ostern 2022 statt. 

KNA: Wie viele Pfarreien hat die UOK heute in Deutschland? 

Danylewytsch: Wir haben derzeit in Deutschland 22 Pfarreien und neun pastorale Zentren. Bei den pastoralen Zentren handelt es sich um kleine religiöse Gemeinschaften, die gerade erst anfangen, sich zu entwickeln. 

KNA: Besitzt die UOK in Deutschland eigene Kirchen oder nutzt sie lediglich Gotteshäuser anderer Konfessionen? 

Danylewytsch: Zurzeit stellen uns vor allem Katholiken und Protestanten Kirchenräume zur Verfügung. Denn die UOK ist erst seit eineinhalb Jahren in der Diaspora tätig. 

Wir sind der römisch-katholischen Kirche, aber auch der evangelischen Kirche und anderen christlichen Konfessionen in Deutschland und in Europa dankbar, dass sie unseren Gemeinden Kirchengebäude für den Gottesdienst zur Verfügung stellen. 

Wir wissen dies sehr zu schätzen und betrachten es als Ausdruck einer wahrhaft christlichen Haltung. Am 14. November 2023 wurde die erste ukrainisch-orthodoxe Kirche in Worms eröffnet, die in typischer Architektur gebaut wurde. 

KNA: Wie groß ist die neue Kirche in Worms? 

Danylewytsch: Sie ist ziemlich groß. Ich war bei der Eröffnung dabei. Sie kann problemlos bis zu 100 Personen aufnehmen. 

KNA: Wie viele Menschen in Deutschland gehören der UOK an? 

Danylewytsch: Es ist schwer zu sagen, aber ich würde vermuten, dass die durchschnittliche Zahl der Gläubigen, die regelmäßig jeden Sonntag den Gottesdienst in allen unseren Gemeinden in Deutschland besuchen, etwa 1.500 bis 2.000 Personen beträgt. 

Erzpriester Mykola Danylewytsch

"Anfangs waren diese beiden Diözesen ziemlich eifersüchtig auf unsere Präsenz und unsere unabhängige pastorale Tätigkeit in Deutschland."

Ich betone, dass wir von regelmäßigen Gemeindemitgliedern sprechen. Es ist klar, dass an den großen Feiertagen, vor allem an Weihnachten und Ostern, die Zahl der Gläubigen um ein Vielfaches größer ist. 

KNA: Wie ist das Verhältnis der UOK zu den beiden russisch-orthodoxen Diözesen in Deutschland?

Danylewytsch: Anfangs waren diese beiden Diözesen ziemlich eifersüchtig auf unsere Präsenz und unsere unabhängige pastorale Tätigkeit in Deutschland. Bis zu einem gewissen Grad ist diese vorsichtige Haltung uns gegenüber mancherorts bis heute erhalten geblieben. 

Unsere unabhängige Tätigkeit in der Diaspora ist jedoch eine pastorale Antwort auf die neuen Herausforderungen, in denen sich unser Land und unsere Kirche durch die umfassende militärische Invasion Russlands in der Ukraine befinden. Wir haben diese Situation und diese Bedingungen nicht geschaffen. 

Wir reagieren lediglich in pastoraler Weise auf die neue Realität. Viele unserer Gläubigen sind im Krieg, um ihr Land zu verteidigen. Leider sind dabei viele gefallen. Es ist eine große Tragödie, und es ist klar, dass die meisten orthodoxen Ukrainer nichts mit dem zu tun haben wollen, was sie an Russland erinnert. 

Unter diesen neuen pastoralen Bedingungen beschloss das Lokale Konzil der UOK am 27. Mai 2022, ukrainisch-orthodoxe Kirchengemeinden in der Diaspora selbstständig zu gründen. Ich habe das Gefühl, dass die russischen kirchlichen Strukturen im Ausland diese neue Realität inzwischen erkannt haben. 

Wir haben sie sofort gespürt, während sie sie erst jetzt tun. Daher beobachte ich, dass sie sich in letzter Zeit an die neuen Realitäten und an unsere, ich betone, absolut unabhängige pastorale Tätigkeit und Präsenz in der Diaspora gewöhnen.

KNA: Wie sind die Beziehungen zwischen der UOK und der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK)?

Danylewytsch: Unsere Kirchen überschneiden sich in der Diaspora nicht, weil die UGKK ihre Gläubigen mit pastoralen Aktivitäten erreicht und wir die unseren. 

KNA: Führt die UOK schon Gespräche mit der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland? Will die UOK ihr beitreten? 

Erzpriester Mykola Danylewytsch

"Unsere Präsenz in der Diaspora ist bereits eine Tatsache und eine Realität, und wir hoffen, dass wir früher oder später zu dieser Konferenz gehören werden."

Danylewytsch: Wie gesagt, ist unsere Kirche erst seit eineinhalb Jahren in der Diaspora aktiv präsent, deswegen haben wir noch keine offiziellen Kontakte zur Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland. Gleichzeitig impliziert unsere Präsenz in der Diaspora einen möglichen zukünftigen Eintritt in diese Bischofskonferenz. 

Dabei verstehen wir, dass wir wegen der bekannten Probleme auf interorthodoxer Ebene, insbesondere des Konflikts zwischen Moskau und Konstantinopel, auf gewisse Schwierigkeiten stoßen können. 

Aber unsere Präsenz in der Diaspora ist bereits eine Tatsache und eine Realität, und wir hoffen, dass wir früher oder später zu dieser Konferenz gehören werden. 

KNA: Wie sind die Beziehungen der UOK zu den deutschen Kommunen und Bundesländern, zu Bundestag und Bundesregierung? 

Danylewytsch: Wir haben hauptsächlich Kontakte zu den religiösen Strukturen in Deutschland. Natürlich haben wir auch Kontakte zu den staatlichen Behörden, die positiv sind. Wir haben gute Beziehungen, die in Zukunft gemeinsame Aktionen, karitative und soziale Projekte zwischen unseren Kirchengemeinden und lokalen Behörden umfassen werden. 

KNA: Was sind die aktuellen Prioritäten der UOK in Deutschland? 

Danylewytsch: Die erste und oberste Priorität ist pastoraler Art, nämlich die Notwendigkeit, den orthodoxen Ukrainern so viel Seelsorge wie möglich zukommen zu lassen, weil dies die Hauptaufgabe der Kirche ist. Die Kirche sollte ihren Gläubigen zur Seite stehen, wo immer sie hingehen. 

Und da unsere Gläubige wegen der tragischen Ereignisse der umfassenden russischen Militärinvasion nach Deutschland und in andere Länder umzogen, ist die Kirche ihnen dorthin gefolgt. Darüber hinaus zeigen wir durch unsere Präsenz in der Diaspora unseren orthodoxen Glauben, demonstrieren unsere Traditionen, erzählen von der Ukraine, unserer Geschichte, Kultur und Sprache. 

Wir möchten in Deutschland besser bekannt werden. Daher ist die aktuelle Priorität die pastorale Entwicklung und die Verbesserung der gegenseitigen Kommunikation, des Verständnisses, der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Bereicherung. 

Denn wir sehen, dass wir sowohl von den religiösen Organisationen in Deutschland als auch vom Land selbst viel zu lernen haben, weil das gegenseitige Kennenlernen uns alle bereichert. 

KNA: Wie kommen Sie damit klar, dass der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt? 

Erzpriester Mykola Danylewytsch

"Die Kirche kann und sollte in ihrem offiziellen Stil oft nicht in der gleichen Weise wie säkulare Strukturen sprechen."

Danylewytsch: Unsere Kirche hat dazu eine negative Einstellung. Dies ist übrigens auch der Grund, warum in einer der Schlussbestimmungen des Lokalen Konzils der UOK vom 27. Mai 2022 die Uneinigkeit mit der Position von Patriarch Kyrill zum russischen Angriff auf die Ukraine geäußert wurde. 

Einige sind der Meinung, dass dies eine zu milde Formulierung war. Dies ändert jedoch nichts am Kern der Sache. Die Kirche kann und sollte in ihrem offiziellen Stil oft nicht in der gleichen Weise wie säkulare Strukturen sprechen. Die Kirche kann dieselben Ideen auf zurückhaltende Art formulieren, die ihrem Stil entsprechen. 

KNA: Es sieht so aus, dass die UOK gegenüber dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel noch härter auftritt als gegenüber dem Moskauer Patriarchat. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass die UOK die eucharistische Gemeinschaft mit Konstantinopel wiederherstellt, die sie 2018 gemeinsam mit dem Moskauer Patriarchat einseitig aufgekündigt hat? 

Danylewytsch: Der Abbruch der eucharistischen Gemeinschaft zwischen der UOK und dem Patriarchat von Konstantinopel war keine Laune von uns, sondern wurde durch eine Reihe eigenmächtiger und nicht-kanonischer Handlungen Konstantinopels in der Ukraine verursacht. 

Es geht nämlich um die einseitige Einmischung auf dem kanonischen Territorium der UOK und die Gründung einer parallelen Kirchenstruktur in der Ukraine. Darüber hinaus entschied Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel, unseren Metropoliten Onufrij ohne jeden kanonischen Grund nicht mehr als rechtmäßigen und einzigen Metropoliten von Kiew anzuerkennen. 

Dies geschah, obwohl Metropolit Onufrij nicht in Schisma oder in Häresie gefallen ist, es also keinen Grund für so einen Schritt gibt. Aus unserer Sicht hat Konstantinopel seine eigene parallele Hierarchie auf dem Territorium der Ukraine willkürlich und antikanonisch geschaffen. 

Wenn, rein hypothetisch, eine lokale orthodoxe Kirche einen eigenen Parallelpatriarchen in Konstantinopel einsetzen würde, wäre die Reaktion des Patriarchen Bartholomaios ähnlich wie unsere. Im Endeffekt wurde die eucharistische Gemeinschaft aufgrund eines Verstoßes gegen die kanonische Ordnung seitens Konstantinopels ausgesetzt. 

Daher gibt es keinen Grund, die Kommunion wieder aufzunehmen, solange dieser Verstoß nicht auf die eine oder andere Weise korrigiert wird. Offensichtlich befindet sich die gesamte orthodoxe Welt derzeit in einer Krise. Viele Probleme haben sich angesammelt. Der militärische Angriff Russlands auf die Ukraine hat diese Krise noch tiefer gemacht. 

Unsere Ukrainische Orthodoxe Kirche ist zu einer Geisel dieser Krise geworden. Wir sind der Meinung, dass, wenn es im Moment noch nicht möglich ist, all diese Probleme zu lösen, es auf panorthodoxer Ebene zumindest wichtig ist, nichts zu tun, was die Situation verschlimmern könnte. 

Dabei hoffen wir immer noch, dass der Herr unser Gott in der Zukunft Bedingungen schaffen wird für die Lösung all dieser Verstöße gegen das Kirchenrecht, die es leider in der letzten Zeit in der orthodoxen Welt von verschiedenen Seiten wiederholt gab. 

KNA: Der Weltkirchenrat ÖRK wollte die orthodoxen Kirchen der Ukraine und Russlands vergangenes Jahr an einen Runden Tisch in die Schweiz holen und einen Dialog zwischen ihnen initiieren. Woran ist das gescheitert?

Danylewytsch: Wir waren von Anfang an positiv gestimmt, was die Möglichkeit eines solchen Dialogs angeht. Aber dieser Dialog hängt von drei Parteien ab: der UOK, der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) und der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK). 

Wenn wirklich ein echter Dialog anvisiert ist, haben wir unsererseits den Wunsch geäußert, dass die OKU aufhören muss, unsere Kirchen in der Ukraine zu übernehmen. Leider ist diesbezüglich nichts geschehen. 2023 gab es viele solche Übernahmen, und es gibt sie bis heute. 

Daraus können wir schließen, dass die OKU keine wirkliche Absicht zum Dialog hatte. Wir sehen also, dass ihr Verhalten weit entfernt ist von ökumenischen Idealen und einem friedlichen Zusammenleben zwischen den Religionen, von einer Zusammenarbeit ganz zu schweigen. 

Erzpriester Mykola Danylewytsch

"Meiner persönlichen Meinung nach hängt der Erfolg solcher zweifellos nützlichen Initiativen des ÖRK davon ab, dass die Kirchen nicht politisch motiviert sind."

Gleichzeitig hat die OKU vor einem Jahr den Beitritt zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) beantragt, was sie eigentlich zu einem korrekten Verhalten hätte verpflichten müssen. 

Einer der OKU-Sprecher erklärte jedoch kürzlich, dass die OKU nach ihrem Beitritt zur Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) nicht mehr dem ÖRK beitreten müsse. Die Reaktion der Russischen Orthodoxen Kirche auf diese Initiative des ÖRK kenne ich nicht. 

KNA: Sehen Sie noch eine Chance, dass alle drei Kirchen an einem Runden Tisch zusammenkommen?

Danylewytsch: Meiner persönlichen Meinung nach hängt der Erfolg solcher zweifellos nützlichen Initiativen des ÖRK davon ab, dass die Kirchen nicht politisch motiviert sind. Mit anderen Worten, wenn die Kirchen sich mehr von christlichen Motiven leiten ließen und nicht auf politische Faktoren zurückgreifen würden, könnten solche Dialoge oder Runden Tische tatsächlich Realität werden und Vorteile bringen. 

KNA: Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel hatte vor fünf Jahren das Ziel, die damals drei großen orthodoxen Kirchen der Ukraine zu vereinigen, und all ihre Bischöfe zu einem Vereinigungskonzil nach Kiew eingeladen. 

Hätten alle Bischöfe der UOK und nicht nur zwei am Konzil teilgenommen, hätten sie mit ihrer großen Mehrheit den UOK-Metropoliten Onufrij zum Oberhaupt der neuen Kirche wählen können. Ist für Sie so eine Vereinigung gar nicht vorstellbar? 

Danylewytsch: Dies war von Anfang an ein falscher Weg zur Wiederherstellung der Einheit. Es war falsch, weil Patriarch Bartholomaios versuchte, die kanonische Kirche und die kirchlichen Gruppen, die sich von ihr getrennt hatten, gleichzustellen. 

Und das, obwohl er zuvor nur unsere Ukrainische Orthodoxe Kirche, deren Oberhaupt Seine Seligkeit Metropolit Onufrij von Kiew und der ganzen Ukraine ist, als die einzige kanonische Kirche der Ukraine anerkannt hatte. Mit anderen Worten: Patriarch Bartholomaios setzte diejenigen Hierarchen, die eine unbestrittene apostolische und kanonische Sukzession haben, mit denen gleich, die keine oder, gelinde gesagt, eine umstrittene Sukzession haben. 

Aus diesem Grund hat unsere Kirche als Institution nicht an dem von Ihnen erwähnten Konzil teilgenommen. Und die beiden von Ihnen erwähnten Bischöfe unserer Kirche waren auch nicht von unserer Kirche autorisiert, an diesem Konzil teilzunehmen. Es war ihre persönliche Initiative, die der offiziellen Position unserer Kirche widersprach.

 Es ist eine historische Tatsache, dass die früheren kirchlichen Gruppen wie die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche (UAOK) und die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats (UOK-KP), aus denen die heutige Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) entstanden ist, die UOK verlassen haben. 

Das heißt, sie waren zuvor Teil unserer Kirche. Die UAOK entstand ursprünglich 1989 und wurde 1993 umstrukturiert, während die UOK- KP 1992 entstand. Mit anderen Worten, es war nicht die UOK, die sich von der UAOK und der UOK-KP getrennt hat, sondern umgekehrt. Folglich betrachtet unsere Kirche die neu geschaffene OKU als abgespaltenen Teil ihrer selbst. 

Dementsprechend hat nur die UOK als historische, traditionelle und kanonische Kirche der Ukraine das Recht auf kanonische und vollwertige Autokephalie, jedoch nicht die Teile, die sich von der UOK abgespaltet haben. Dieses Vorgehen war auch deshalb falsch, weil Patriarch Bartholomaios ohne die Zustimmung unserer Kirche und anderer orthodoxer Kirchen handelte. 

Deshalb wurden Bartholomaios' Maßnahmen von der Mehrheit der orthodoxen Kirchen nicht akzeptiert. Sie bitten ihn bis heute insgeheim, seine Maßnahmen zu überdenken und ein neues panorthodoxes Konzil zur Lösung der ukrainischen Frage einzuberufen. 

Trotzdem hat Patriarch Bartholomaios selbst in seiner Rede anlässlich des Beginns des Kirchenjahres in Istanbul am 1. September 2023 erklärt, dass er seine Entscheidungen in der ukrainischen Kirchenfrage nicht revidieren wird. 

KNA: Haben Sie ein Vorbild aus der orthodoxen Kirchengeschichte, wie eine Wiedervereinigung funktionieren kann? 

Danylewytsch: Wenn Patriarch Bartholomaios die ukrainische Kirchenfrage wirklich friedlich und konstruktiv lösen wollte, hätte er auf die Erfahrungen bei der Lösung des Kirchenschismas in Bulgarien im Jahr 1998 zurückgreifen können. 

Damals wurde die Frage der lokalen Schismatiker einer gemeinsamen Entscheidung aller - ich betone aller - orthodoxen Ortskirchen unterworfen, deren Oberhäupter vom 1. bis 3. September 1998 in Sofia zusammenkamen und eine gemeinsame Entscheidung trafen. 

Obwohl die Kirchenoberhäupter zunächst verschiedene Ansichten hatten, wie die bulgarischen Schismatiker in den Schoß der kanonischen Kirche aufgenommen werden können, wurde ein gemeinsamer Beschluss gefasst, der von allen Ortskirchen angenommen wurde. 

Und das bulgarische Schisma geriet in Vergessenheit. Und zugleich wurde damals die Verbundenheit zwischen den Ortskirchen erhalten und gestärkt. 

KNA: Gibt es eigentlich theologische Unterschiede zwischen der UOK und der OKU? 

Danylewytsch: Theologische Unterschiede gibt es nicht, wohl aber kirchenrechtliche und sakramentale Unterschiede. Aus der Sicht der Sakramentaltheologie der orthodoxen Kirche führt ein Verstoß gegen die kanonischen Regeln zu einem Verbot des Priesteramtes oder zur Amtsenthebung. 

Was die OKU betrifft, so gibt es nicht nur diejenigen, denen das Priesteramt entzogen wurde, sondern auch diejenigen, die aus unserer Sicht überhaupt keinen heiligen Rang hatten. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum die meisten orthodoxen Ortskirchen, mit Ausnahme von vier griechischen, die OKU nicht anerkennen. 

KNA: Unterstützt die UOK einen EU-Beitritt der Ukraine? 

Danylewytsch: Da Fragen dieser Art nicht in die Zuständigkeit der Kirche fallen, überlässt die Kirche sie dem Ermessen der Gesellschaft. Gleichzeitig stehen nach meinen subjektiven Beobachtungen viele Gläubige der UOK der Möglichkeit eines EU-Beitritts der Ukraine positiv gegenüber. 

Die Kirche kann ihren Dienst in jedem Staat und jeder zwischenstaatlichen Einheit ausüben. Wichtig ist nur, dass im Rahmen bestimmter Staaten echte Gewissensfreiheit und die Möglichkeit der freien Religionsausübung gewährleistet sind. Offensichtlich haben die EU-Länder solche Möglichkeiten.

Das Interview führte Oliver Hinz.

Quelle:
KNA