Um das einst kirchliche Verlagshaus Weltbild steht es schlecht

"Ein Trümmerhaufen"

Weltbild war einmal das Aushängeschild des katholischen Verlagswesens in Deutschland. 2014 ging das Unternehmen pleite, die Kirche zog sich zurück. Seelsorger kümmern sich noch immer um die verbliebenen Mitarbeiter.

Autor/in:
Bernd Buchner
Weltbild-Filiale (dpa)
Weltbild-Filiale / ( dpa )

Am Sonntag ist Tag der Arbeit. Auch in Augsburg marschieren die Werktätigen, ziehen vom Gewerkschaftshaus zum Rathausplatz, wo IG-Metall-Vorstandsmitglied Irene Schulz spricht. Anzunehmen, dass viele Weltbild-Mitarbeiter dabei sind - und wohl auch einige ihrer Ex-Kollegen. Das ehemals katholische Unternehmen mit Sitz in der Fuggerstadt hat heute - gut zwei Jahre nach seinem Absturz - nur noch einen Bruchteil seiner Belegschaft.

Wer in den Betrieb hineinhört, bekommt einen Eindruck von den Enttäuschungen bei Weltbild. Von Chaos ist die Rede, von einem infamen Umgang mit den Beschäftigten. "Die Leute sind überarbeitet", sagt Verdi-Betriebsgruppensprecher Timm Boßmann. "Wir kriegen eine höhere Krankheitsrate, weil die Leute fertig sind." Der katholische Betriebsseelsorger Erwin Helmer nennt den Umgangsstil der Geschäftsleitung "unsäglich". Für Betriebsratschef Peter Fitz ist der neue Besitzer Walter P. Droege schlicht eine "Heuschrecke".

Einst ein Musterbetrieb 

Das Verlagshaus war viele Jahre ein katholischer Musterbetrieb. 1948 gegründet, stieg es zu einem führenden deutschen Buchhandelsunternehmen mit fast 7.000 Mitarbeitern auf. Doch Konkurrent Amazon erkannte die epochalen Veränderungen durch das Internet früher - und grub dem Konkurrenten mit Billiglöhnen das Geschäft ab. "Das waren keine menschlichen Mittel, aber legal - meistens", sagt Helmer.

Die kirchlichen Eigentümer, unter ihnen zwölf Bistümer, hatten schon länger Bauchschmerzen, wollten sich von Weltbild trennen. Dass das Verlagshaus ein paar erotische Titel im Sortiment hatte, tat ein Übriges. "Man hat nach Gründen gesucht, um hier rauszukommen", kommentiert Fitz heute die Geschichte. Die Reißleine zog die Kirche, als die Geschäftsleitung Anfang 2014 nach alarmierenden Bilanzzahlen einen doppelt so hohen Finanzbedarf anmeldete wie die bereits zugesagten 65 Millionen Euro. Es folgte die Insolvenz.

"Belogen" 

Nach einer ersten Entlassungswelle kam Droege. Der Milliardär erwarb die Mehrheit der Anteile, spaltete die Logistik ab und steckte sie in die von ihm kontrollierte Also-Group. Droege versprach Konsolidierung. "Wir wurden von vorne bis hinten belogen", so die Gewerkschafter. Ein Jahr nach der Insolvenz waren mehr als die Hälfte der vormals 2.300 Arbeitsplätze in der Zentrale weg, 90 von 250 Filialen dicht. Heute habe Weltbild ohne Logistik 1.300 Mitarbeiter, davon 400 in Augsburg, so eine Firmensprecherin. Der Betriebsrat weiß von 350.

Die Also-Logistik ging im Sommer 2015 in die Insolvenz. Darauf habe die Geschäftsleitung "mit Gewalt gedrängt", sagt Boßmann. Als die Mitarbeiter erfuhren, dass Droege eine bereits erzielte Einigung über Nacht gekippt hat, blickte Helmer in blasse Gesichter, sah Entsetzen in den Augen, Tränen. Der Seelsorger schrieb Briefe an den Milliardär und bekam keine Antwort. Im Dezember der nächste Schlag, 240 weitere Logistiker verloren ihre Jobs. Inzwischen ist klar, dass Also in Augsburg zum Jahresende 2016 zumacht. Auch die restlichen 210 Mitarbeiter stehen dann auf der Straße.

Dankbar für Entlassung 

Seelsorger Helmer und seine beiden Kollegen versuchen, Mut zu machen, die Mitarbeiter zu stärken, vorschnellen Trost zu vermeiden. "Ob Christen, Muslime oder Atheisten, sie haben alle mit uns geredet." Wichtig sei: "Wie kriege ich Distanz zu dieser brenzligen Situation, die viele kaputt und krank gemacht hat?" Vor der Betriebsversammlung fährt einer wie verrückt auf dem Gabelstapler durch die Hallen. Ein anderer ist fast dankbar für seine Entlassung: "Ich hätt's eh nicht länger ausgehalten. Ich muss da raus." Eine Kollegin tapfer: "Ich war immer ein Stehauf-Männchen." Helmer nennt sie Stehauf-Frauchen.

"Man blickt sich um und sieht auf einen Trümmerhaufen", so Fitz. Doch Betriebsrat und Gewerkschaft geben nicht auf. Mit der Kirche ist man im Reinen. "Wir haben uns gekloppt mit denen", sagt Boßmann, "aber ohne sie hätten wir den Fortbestand bis jetzt nicht geschafft." In der Tat federten die Bistümer damals mit einer Millionen-Geldspritze nicht nur soziale Härten ab. Sie verhinderten auch, dass das Geschäft in der Insolvenzphase nicht völlig einbrach.

Millionen treue Kunden 

Noch lebt Weltbild: Das Haus ist Nummer zwei im Onlinebuchhandel und Rangdritter im Gesamt-Buchmarkt. "Millionen von Kunden sind dem Unternehmen treu geblieben", macht sich eine Firmensprecherin Mut.


Quelle:
KNA