UN-General sorgt mit positiven Aussagen für Irritationen

In Darfur ist noch kein Frieden in Sicht

Die Zahl der Darfur-Flüchtlinge ist unverändert hoch. Die UN schätzen, dass nach wie vor drei Millionen Menschen in Vertriebenen- und Flüchtlingslagern leben. Die Zahl der Toten seit Ausbruch des Konflikts vor sechs Jahren beziffern sie mit 300.000. Eine politische Lösung ist nicht in Sicht, vor allem deshalb, weil die Rebellengruppen heillos zerstritten sind. Dennoch hält der ehemalige Oberbefehlshaber der UN-Friedenstruppen den Krieg für beendet.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

Martin Luther Agwai ist ein Freund starker Worte. Der nigerianische General, bis vor kurzem Oberbefehlshaber der UN-Friedenstruppe in Darfur, sorgte für einen Eklat. Seine Behauptung, der Bürgerkrieg in der westsudanesischen Krisenregion sei vorbei, sorgte für Irritation und Widerspruch.

Agwai hatte vor zwei Jahren die Führung des größten und teuersten UN-Friedenseinsatzes mit 26.000 Soldaten in Darfur übernommen. Kurz darauf sagte er einer britischen Zeitung, er habe aus Frust seinen Job bald hinschmeißen wollen, «weil die Welt sich nicht um uns schert». Erst nach Lektüre des Selbsthilfe-Buches «Schluss mit den Sorgen, fang mit dem Leben an» habe er sich umentschieden. Doch nicht für lange. Ende Juli quittierte Agwai seinen Job.

«Es gibt Banditentum, lokale Gefechte über Wasser, Landrechte und sowas, aber der wirkliche Krieg ist vorbei», erklärte Agwai in Khartum erstaunten Journalisten. Einzig eine Rebellengruppe, die «Bewegung für Gleichheit und Gerechtigkeit» stelle noch eine echte Bedrohung dar. «Die Region leidet mehr unter allgemeiner Unsicherheit als unter einem politischen Konflikt.»

Besonders gern hörte das Sudans Regierung, die der Kriegstreiberei in Darfur bezichtigt wird. Präsident Omar Hassan al-Baschir wird wegen Menschenrechtsverbrechen in Darfur vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesucht.

Der Leiter der gesamten UN-Mission in Darfur, Rodolphe Adada, der zeitgleich mit Agwai das Handtuch warf und zuletzt einen von den USA im Sicherheitsrat als zu rosig kritisierten Lagebericht zu Darfur veröffentlicht hatte, wurde von Al-Baschir mit der höchsten Ehrung des Landes ausgezeichnet. «Die Feinde Sudans haben Adadas Ansichten zu Darfur verachtet, deshalb musste er gehen», sagte Al-Baschir.

Politikwisssenschaftler halten wenig von Adadas und Agwais Einschätzung, der Krieg sei vorbei. Sie befürchten, dass die Regierung in Khartum nach der Verhängung des Haftbefehls gegen Al-Baschir auf Zeit spielt. «Die Kämpfe haben nachgelassen, kein Zweifel», sagt etwa der britische Konfliktforscher Gill Lusk. «Aber die Regierung kann die Gewalt jederzeit wieder anfachen, wenn sie das will.»

Eine ähnliche Einschätzung vertritt eine Mitarbeiterin der International Crisis Group, die nur anonym sprechen darf. «Al-Baschir hat so viele Milizen in Darfur in der Tasche, dass er letztlich das Ausmaß der Gewalt kontrolliert.»

Von den Friedensgesprächen unter Vermittlung der Regierung Katars, die im Oktober fortgeführt werden sollen, erwartet niemand einen Durchbruch. Die Tatsache, dass sechs Splittergruppen sich Anfang des Monats unter libyscher Vermittlung zusammengeschlossen haben, wird allerdings als positives Signal gewertet.

Die UN-Mission ist unterdessen auch zwei Jahre nach ihrem Start noch nicht voll einsatzfähig. Frühestens Ende des Jahres, so die offizielle Sprachregelung, sollen die Soldaten und Polizeikräfte in Darfur stationiert sein. Verantwortlich für die Verzögerungen ist einerseits der Sudan, dessen Bürokratie jede Lieferung von Personal und Material zu einer monatelangen Prozedur ausweitet. Vor allem bei der Lieferung von Militärmaterial hat aber auch der Westen viele Versprechungen nicht eingehalten.

Dass in Darfur noch lange kein Frieden herrscht, müssen nicht zuletzt zwei Mitarbeiter einer Hilfsorganisation derzeit am eigenen Leib erfahren. Die Irin Sharon Commins und ihre ugandische Kollegin Hilda Kawuki befinden sich seit zwei Monaten in der Hand von Entführern, die zwei Millionen US-Dollar Lösegeld fordern. Alle Versuche, eine Freilassung zu erreichen, sind bislang fehlgeschlagen.