UN-Sicherheitsrat erklärt sich unterdessen für handlungsunfähig

Georgien spricht von Rückzug

Die georgische Armee hat sich angesichts der russischen Übermacht offenbar aus Südossetien zurückgezogen. In Abchasien spitzte sich die Lage weiter zu. Der UN-Sicherheitsrat erklärte sich derweil für handlungsunfähig.

 (DR)

Die georgischen Truppen haben sich nach Angaben des Innenministeriums aus der abtrünnigen Provinz Südossetien zurückgezogen. Dies sei keine militärische Niederlage, sondern ein notweniger Schritt, um die Zivilisten vor einer humanitären Katastrophe zu bewahren, sagte der Ministeriumssprecher Schota Utiaschwili der britischen BBC. Die Truppen hätten sich auf die Positionen zurückgezogen, auf denen sie vor Beginn der Kämpfe stationiert waren. Russland kontrolliere nun die Provinzhauptstadt Zchinwali, hieß es weiter. Rund 100 Soldaten seien bei den Kämpfen gefallen.

In der Nacht zum Sonntag hatte sich der militärische Konflikt weiter verschärft. Zchinwali lag weiter unter Artilleriebeschuss von georgischer Seite. Das teilte die südossetische Führung nach Angaben der russischen Agentur Interfax mit. Am Morgen seien die Angriffe abgeflaut. Tausende Menschen harrten den dritten Tag in der zerstörten Stadt aus.

Russische Flugzeuge flogen mehrere Angriffe auf georgisches Kernland. Sie bombardierten nach georgischen Angaben in der Nacht zum Sonntag einen Militärflugplatz nahe der Hauptstadt Tiflis. Den Angaben zufolge versuchten die Kampfflugzeuge vergeblich, die Landebahn des Militärflugplatzes zu zerstören.

Angst vor einem Großangriff
Laut dem Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Alexander Lomaja, trafen gleichzeitig Schiffe der russischen Schwarzmehrflotte vor der Küste Abchasiens ein. Russland ziehe zudem Panzerfahrzeuge an der Grenze zu Georgien zusammen. Georgische Regierungsbeamte gingen davon aus, dass die Schiffe Bodentruppen für einen groß angelegten Angriff anlanden könnten. Der georgische Präsident Michail Saarkaschwili hatte am Samstag für 15 Tage das Kriegsrecht verhängt. Gleichzeitig aber bot er Russland einen sofortigen Waffenstillstand an.
  
Moskau und Tiflis verschärften auch ihre verbalen Angriffe. Sie beschuldigten sich gegenseitig der Kriegsverbrechen, der russische Ministerpräsident Wladimir Putin sprach gar von einem "Völkermord" an der südossetischen Bevölkerung. Russlands Menschenrechtsbeauftragter Wladimir Lukin forderte deshalb die Einberufung eines internationalen Tribunals. "Die Verantwortlichen müssen vor ein internationales Gericht gebracht werden", sagte Lukin am Sonntag nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Russland berichtete von 2000 Toten und 30.000 Flüchtlingen. Saakaschwili wies die Zahlen als völlig übertrieben zurück.

Blockade im Sicherheitsrat
Der UN-Sicherheitsrat erklärte sich unterdessen für handlungsunfähig. Der amtierende Präsident des Sicherheitsrats, Jan Grauls aus Belgien, verzichtete bei einer Dringlichkeitssitzung am Samstag darauf, die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand in der Region zur Abstimmung zu stellen. Angesichts der veränderten Lage vor Ort sei er zu dem Schluss gekommen, dass sich im Rat dazu keine gemeinsame Linie finden lasse, sagte Grauls in New York. Russland, das ein Vetorecht im Sicherheitsrat hat, lehnte eine Waffenruhe ab.

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin forderte ultimativ den Abzug georgischer Truppen aus der abtrünnigen Region Südossetien, erst dann könne über weitere Schritte gesprochen werden. "Das ist ein klare Bedingung", sagte er nach der Sitzung. Nach Angaben von Diplomaten beantragte Georgien erneut eine Sitzung. Sie vermuteten jedoch, Russland könnte sich den Bemühungen um einen Waffenstillstand widersetzen, bis es die georgischen Truppen aus Südossetien vertrieben habe.

Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Konfliktparteien zu einem sofortigen Waffenstillstand und zu Verhandlungen auf. Anfang der Woche wollen die EU-Außenminister nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Paris oder Brüssel über den Konflikt beraten. Der französische Außenminister Bernard Kouchner wollte nach Angaben seines Ministeriums am Sonntag in die Region reisen. Kouchner sollte auf seiner Reise von dem finnischen Außenminister Alexander Stubb begleitet werden, der derzeit den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) innehat.