UN und Vatikan uneins über Haftung für Missbrauch

Verantwortung weltweit?

Der Vatikan ist nach Auffassung der Vereinten Nationen für Missbrauchsfälle durch katholische Kleriker weltweit haftbar. Der Vatikan bestritt diese Interpretation umgehend in einer Stellungnahme.

Vatikan (dpa)
Vatikan / ( dpa )

Das UN-Antifolterkomitee urteilte zum Abschluss einer turnusmäßigen Überprüfung am Freitag in Genf, die Verantwortung eines Staates für das Tun oder Unterlassen von Amtsträgern erstrecke sich auch auf Bedienstete im Ausland. In seinem achtseitigen Dokument lobte das Komitee den Dialog mit dem Vatikan als "offen und konstruktiv", bemängelte aber, dass er seinen ersten Bericht über die Umsetzung der Antifolterkonvention mit neun Jahren Verspätung vorgelegt habe. Der Heilige Stuhl war dem Abkommen 2002 beigetreten. Positiv wertete das UN-Komitee auch die Anpassung des Strafrechts im Vatikanstaat an internationale Normen sowie die Einrichtung einer Missbrauchskommission durch Papst Franziskus im Dezember.

Uneinigkeit besteht zwischen Heiligem Stuhl und UN nach wie vor über den Geltungsbereich der Konvention. Aus Sicht des Antifolterkomitees umfasst das Abkommen "alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder in amtlicher Eigenschaft handelnde Personen". Darauf hatte die Berichterstatterin in dem Expertenausschuss, Felice Gaer, schon bei der Erörterung mit der Vatikan-Delegation am 5. und 6. Mai in Genf hingewiesen.

Der Vatikan vertrat hingegen in seiner Stellungnahme am Freitag weiter die Auffassung, die Verpflichtungen der Konvention erstreckten sich auf den 55 Hektar großen Vatikanstaat und näherhin Mitarbeiter der Römischen Kurie, diplomatisches Personal, Einrichtungen des Heiligen Stuhls und Justizmitarbeiter. Auch bezweifelte er, ob pädophile Handlungen unter den Begriff Folter fielen.

Insgesamt sieht sich der Vatikan in seiner Linie bestätigt. Das UN-Komitee bescheinige der Kirchenleitung "ernsthafte und substanzielle Reformen" im Sinn der Antifolterkonvention, hieß es in der Erklärung. Auch die Entschädigungspraxis für Opfer finde Anerkennung. Als begrüßenswert hob der Vatikan hervor, dass sein Kampf gegen Abtreibung nicht als Verstoß gegen die Konvention gewertet werde; dabei bezog er sich auf den Vorwurf, er schränke durch seine Position Frauenrechte ein.

Das Papier des UN-Komitees würdigt ausdrücklich das strafrechtliche Vorgehen des Vatikan gegen pädophile Priester. So seien zwischen 2004 und 2013 nach Kirchenangaben 848 Kleriker in den Laienstand versetzt und 2.572 mit anderen Strafen belegt worden. Zugleich verlangten die Experten aber konkrete Daten darüber, wie oft die Justiz anderer Staaten eingeschaltet wurde. Schon bei konkreten Missbrauchsvorwürfen müsse eine vorläufige Suspendierung erfolgen. Versetzungen von Beschuldigten seien durch die Glaubenskongregation zu überwachen, sämtliche Verdachtsfälle auch an weltliche Instanzen zu melden.

Klare Regeln für die Justizzusammenarbeit gefordert

Besorgt äußerte sich das Komitee über Berichte, nach denen Kirchenverantwortliche eine Meldung von Sexualstraftaten an weltliche Behörden unterließen, übergriffige Kleriker noch in jüngerer Zeit in andere Bistümer verschoben oder in einem Fall in Australien 2013 die Herausgabe von Dokumenten an eine Missbrauchs-Untersuchungskommission verweigerten. Der Vatikan müsse klare Regeln für die Justizzusammenarbeit schaffen und dafür sorgen, dass Bitten um Kooperation schnell beantwortet würden.

Die von Franziskus ins Leben gerufene Kinderschutzkommission habe bislang keine klaren Kompetenzen. Ungewiss sei auch, inwieweit sie Untersuchungsergebnisse veröffentlichen könne, so das Komitee. Der Vatikan solle eine unabhängige Beschwerdestelle mit der Möglichkeit der Kooperation nichtkirchlicher Behörden schaffen. Im Blick auf die Entschädigung von Opfern kritisierte das UN-Gremium Versuche, Vermögen von Bistümern oder Orden aus der Haftungsmasse herauszuziehen.

Die nächste turnusmäßige Prüfung steht im Mai 2018 an. Bis 23. Mai 2015 soll der Vatikan einen Zwischenbericht unter anderem über den Umgang mit Missbrauchsverdächtigen und die Frage der Opferentschädigung vorlegen.


Quelle:
KNA