Die Harfe gilt als eines der ältesten Instrumente der Menschheit und findet sich schon 3000 Jahre vor Christus auf ägyptischen Monumenten. Eng verknüpft ist sie außerdem mit dem Hirtenjungen und späteren König David, der 40 Jahre über Juda und Israel herrschte und dem etwa die Hälfte der Psalmen des Alten Testaments zugeschrieben wird. Immer wieder wird der Sieger über den Riesen Goliath in der Kunst mit diesem Saiteninstrument dargestellt. Denn eines steht fest: Musik hatte beim Volk Israel einen hohen Stellenwert, vor allem in der Gottesanbetung. Sie kam bei Krönungen, religiösen Zeremonien und im Krieg zum Einsatz. Sie bereicherte das Leben am Königshof, belebte Hochzeiten und Familienfeiern und sorgte für Stimmung bei der Weinlese und der Getreideernte.
Auch beim nächsten Konzert am Dreikönigenschrein, dessen Programm am 19. Januar noch einmal Weihnachtsmusik vorsieht, steht die Harfe als solistisches Begleitinstrument im Mittelpunkt. Oliver Sperling, Leiter des Mädchenchores am Kölner Dom, hat diesmal für sein Ensemble ausschließlich A-cappella-Literatur mit Harfe zusammengestellt, die die Sängerinnen unter dem Motto "This little Babe" präsentieren. Dabei gibt es zunächst "A Ceremony of Carols", Op. 28, ein Chorwerk für dreistimmigen Frauenchor, Solostimmen und Harfe von Benjamin Britten; ein Stück, das der Engländer 1942 mitten im U-Boot-Krieg auf einem schwedischen Frachter während einer Überfahrt von Bosten nach Liverpool schrieb. Außerdem das "Magnificat" der schwedischen Komponisten Agneta Sköld, Jahrgang 1947, das Sperling vor Jahren schon einmal aufgeführt, nun aber mit einer nachwachsenden Chorgeneration noch einmal neu einstudiert hat. Und schließlich die "Mass", eine Uraufführung von Stephen Harrap, der heute als Kirchenmusiker an St. Martinus in Kerpen tätig ist und die ursprünglich für Knabenchor und Orgel gedachte Mess-Fassung, die eigentlich schon im Dezember fertig war, kurzerhand in eine für Mädchenchor und Harfe umgewandelt hat.
Musik im Kölner Dom schenkt Besinnlichkeit und Geborgenheit
"A Ceremony of Carols" ist eine Sammlung alter englischer Weihnachtslieder und besteht aus insgesamt elf Sätzen, die letztlich eine Perlenkette von höchst anspruchsvollen und dennoch kindgerechten Miniaturen bildet und nach einer Textvorlage von Gerald Bullett mit dem Titel "The English Galaxy of Shorter Poems" auf Mittelenglisch gesungen werden. Das Zentrum bildet ein Solo für Harfe über "Hodie Christus natus est" der Magnificat-Antiphon. Die Komposition, die 1943 in der Wigmore Hall in London uraufgeführt wurde, gehört zu den vielen Motetten Brittens für hohe Stimmen – ohne Tenor und Bass – und ist eben eigens für Kinder gedacht, mit denen sich der Komponist zeitlebens am liebsten umgab. So verwundert es auch nicht, dass sich Britten musikalisch bestens in die junge Generation einfühlt und ihm Musik für und mit Kindern zu einem Herzensanliegen wurde. Ursprünglich hatte er eine Reihe einzelner Lieder und auch ein Harfenkonzert geplant. Beide separaten Vorhaben wurden jedoch später in diesem zusammenhängenden Werk realisiert. Den Rahmen für die "Carols" bildet das einstimmige "Hodie Christus natus est", das auf einer gregorianischen Antiphon basiert und vom Chor zum Ein- und Auszug intoniert wird. Ein Harfensolo, das auf diesem Gesang sowie einigen anderen Motiven aus "Wolcum Yole" aufbaut, dient ebenfalls der Verschmelzung zu einem Stück. In den Sätzen "This Little Babe" und "Deo Gracias" reflektiert der Chor harfenähnliche Effekte durch Verwendung enggeführter Kanons.
Die Uraufführung der nur wenige Minuten dauernden "Mass for trebles, altos and harp" des Engländers Stephen Harrap – eine Messe für Sopran, Alt und Harfe – passt ebenfalls hervorragend in das Gesamtkonzept unter der thematischen Maßgabe eines Gotteslobs mit Harfe. Harrap, der auch in der Vergangenheit schon Musik für den Aufführungsort Kölner Dom geschrieben hat und dessen Auftragsarbeit "Nunc demittis" zuletzt vom Vokalensemble Kölner Dom am Pfingstfest 2017 uraufgeführt wurde, hatte auch diesmal wieder die ganz eigene Akustik der Kathedrale im Kopf, von der er sich zu dieser Messe inspirieren ließ, wie er sagt. "Musik muss immer für den konkreten Ort komponiert werden. Und Musik im Kölner Dom schenkt Besinnlichkeit und Geborgenheit", ist der 65-Jährige überzeugt. Harrap hat seit 1978 als Dirigent mit vielen unterschiedlichen Orchestern in London, Rom, Paris, Florenz und Salzburg gearbeitet, sich aber gleichzeitig in den letzten 20 Jahren vor allem auch als Komponist einen Namen gemacht.
Das Konzert mit dem Mädchenchor am Kölner Dom in der Reihe "Geistliche Musik am Dreikönigenschrein" unter der Leitung von Oliver Sperling und in Anwesenheit des Komponisten Stephen Harrap beginnt am 19. Januar um 20 Uhr. Mitwirkende: Irene Fenninger, Harfe, und Thomas Rademacher, Violoncello. Der Eintritt ist frei.