"Sind nicht alle Madonnen im Dom irgendwie Füssenicher Madonnen?" – fragt ein User scherzhaft, nachdem der Kölner Dom vor gut zwei Wochen auf Facebook angekündigt hatte, dass die Schmuckmadonna abgebaut und gereinigt wird. Damit spielt "Willy", wie sich der User nennt, auf Dombaumeister Peter Füssenich und seine Gesamtverantwortung für den Erhalt des Kölner Domes an. Doch die Madonna ist nach dem Ort Füssenich in der Stadt Zülpich bei Düren benannt und steht schon deutlich länger im Kölner Dom als Peter Füssenich im Amt ist – nämlich seit 1908.
Normalerweise brennen viele Kerzen vor dem Altar der Schmuckmadonna im nördlichen Querhaus des Domes, zahlreiche Menschen beten vor der Madonna, bei der vor allem das weiße Gewand mit den vielen kleinen Votivgaben daran auffällt. Doch jetzt ist aufgrund der Corona-Pandemie der Dom nur für persönliche Gebete geöffnet – dennoch sind trotz deutlich weniger Besucher einige Kerzen vor dem Altar angezündet – nur die Schmuckmadonna fehlt. Stattdessen ist dort eine kleine, keinen Meter große Holzfigur, die die Muttergottes mit dem Jesuskind auf dem Arm darstellt.
Füssenicher Madonna älter als die Mailänder Madonna?
Die gotische Figur aus Nussbaumholz steht normalerweise etwas versteckt in der Dreikönigenkapelle im Bereich der Kranzkapellen im Kölner Dom. Ursprünglich stammt sie wohl aus der Kirche des Prämonstratenserinnenklosters in Füssenich – doch gesichert ist das nicht. Klar ist, dass sie ein Geschenk vom Kölner Domherrn und Kunstsammler Alexander Schnütgen am Ende des 19. Jahrhunderts an den Kölner Dom war.
Einen spannenden "Wettkampf" liefert sie sich seitdem mit der Mailänder Madonna in der Marienkapelle auf der südlichen Seite des Doms. Die wird auf das Jahr 1280 oder 1290 datiert – eventuell ist die Füssenicher Madonna doch etwas älter und wäre somit die älteste Marienfigur im Kölner Dom.
Dagegen ist die Schmuckmadonna, deren Platz sie jetzt eingenommen hat, fast noch eine Nachwuchshoffnung – die Figur stammt aus dem späten 17. Jahrhundert. Normalerweise ist sie von einem überlangen weißen Seidenkleid umhüllt, das mit Broschen, kleinen Kreuzen und anderen Votivgaben bestückt ist. Ohne dieses Kleid zeigt sich eine "schöne, zierliche Holzfigur, deren farbige Bemalung und Teilvergoldung weitgehend erhalten ist", schreibt die Kunsthistorikerin Hildegard Schäfer auf der Homepage des Kölner Domes.
Jetzt wird das Gewand von Staub gereinigt, die Schmuckstücke werden ebenfalls gesäubert. Gespendet wurden die im Laufe der Jahrhunderte von Menschen, die die Gottesmutter Maria um Beistand angerufen haben. Wann der Brauch begonnen hat, der Madonna im Kölner Dom etwas Kostbares zu schenken, ist nicht ganz klar, erklärt Matthias Deml von der Kölner Dombauhütte im DOMRADIO.DE-Interview. Einen solchen Brauch gab es wohl schon im 17. Jahrhundert. Historisch gesichert sind solche Opfergaben seit den 1760er Jahren. So alt sind die Broschen und Kreuze am Kleid der Figur nicht: "Die Madonna hat eine Vielzahl von Schmuckstücken um sich, die aber vor allem aus dem 19. Jahrhundert und 20. Jahrhundert stammen."
Die Vertretung muss noch einige Zeit bleiben
Wenn nun die Schmuckmadonna gereinigt wird, warum bleibt dann ihr Platz nicht einfach leer? "Es ist offenkundig den Kölnerinnen und Kölnern ein Bedürfnis, am Altar der Schmuckmadonna zu beten", erklärt Matthias Deml. Denn obwohl die Figur schon einige Tage nicht mehr im Nordquerhaus stand, wurden dennoch am Altar weiterhin Kerzen angezündet. Da lag der Gedanke nahe, dort auch weiterhin eine Marienfigur aufzustellen - eben die Füssenicher Madonna.
Die "Urlaubsvertretung" wird dort noch eine ganze Weile ausharren müssen, Matthias Deml rechnet erst in einigen Wochen mit der Rückkehr der Schmuckmadonna.