Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Malta wegen unerträglicher Zustände im Asylgefängnis Lyster Barracks Hal Far verurteilt. Die Straßburger Richter gaben am Dienstag einer 26-jährigen Somalierin recht, die in Malta insgesamt 18 Monate in Haft zugebracht hatte. 14 Monate befand sie sich in Lyster Barracks. Sie litt dort unter extremer Hitze und Kälte und durfte monatelang nicht ins Freie. Zudem bekam sie minderwertiges Essen, obwohl ihr Gesundheitszustand nach einer Fehlgeburt und einer Infektion sehr schlecht war. (AZ: 55352/12)
Die Straßburger Richter rügten Malta wegen erniedrigender Behandlung. Sie stellten außerdem eine Verletzung des Rechts auf Freiheit fest, weil die Inhaftierung der Somalierin nicht "den legitimen Zweck einer Abschiebung" hatte. Die junge Frau, die im August 2012 freigelassen wurde und seither in Malta lebt, erhält auf Anordnung des Gerichtshofs 30.000 Euro Schmerzensgeld vom maltesischen Staat. Es ist das erste Mal, dass der Gerichtshof den Inselstaat wegen erniedrigender Zustände in einem Haftzentrum für Migranten verurteilt.
In einem zweiten Urteil gegen Malta gaben die Straßburger Richter einem Mann aus Sierra Leone recht, der fast zwei Jahre in Haft verbracht hatte. Die Richter rügten die "Willkür" und die Langsamkeit der Behörden und sprachen dem Mann 24.000 Euro Schmerzensgeld zu.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl forderte Regierungen anderer EU-Länder auf, keine Asylsuchenden mehr nach Malta und Zypern zurückzuschicken. Dies geschieht im Moment unter der sogenannten Dublin-II-Regelung der EU: Für das Asylverfahren ist dasjenige EU-Land zuständig, das der Migrant als erstes betreten hat. Einen Überstellungsstopp gibt es bereits im Fall von Griechenland, dessen Asylsystem ebenfalls in desaströsem Zustand ist.
(epd)