Am "Saint Paddy Day" sehen die US-Amerikaner grün. Von Boston über New York, Charleston und Savannah bis New Orleans und Chicago entdecken sie an diesem Tag ihren inneren Iren. Am weitesten treiben es wohl die Einwohner der "Windy City" Chicago, die den Chicago River grün färben.
Die Tradition startete ein gewisser Stephen Bailey, der 1962 einen ganzen Zentner Lebensmittelfarbe in den Fluss kippte. Das reichte für eine volle Woche giftgrünes Wasser. Damals waren die Stadtväter stinksauer - doch längst ist der grüne Kult ein Markenzeichen des Saint Patrick's Day.
Entwürdigung des Heiligen?
Interessanterweise trifft das sehr viel mehr auf Feiern in den USA als in der Heimat des Heiligen zu, wo das Fest eine viel stärkere religiöse Komponente bewahren konnte. In der sogenannten Neuen Welt zelebrieren die Nachfahren der irischen Einwanderer nicht nur mit grüner Garderobe, grünem Bier und Papier-Deko. Dass das irische Nationalfest in die Fastenzeit fällt, liefert den Kritikern zusätzliche Argumente, denen Trunkenheit, Zerstörungswut und wildes Urinieren schon lange gegen den Strich geht. Eine Entwürdigung des Heiligen, meinen sie.
Der kleine Mönch Patrick, wohl im römischen Britannien des 5. Jahrhunderts geboren und aufgewachsen, kam laut der Legende als 16-jähriger verkaufter Sklave vorübergehend nach Irland. Später wurde er als christlicher Missionar dorthin zurückgesandt. Er ließ Kirchen bauen und verkündete das Evangelium mit großem Geschick in der irisch-keltischen Sprache, die er in Gefangenschaft erlernt hatte.
Die ältesten Zeugnisse der Heiligenverehrung Patricks in Irland gehen auf das 17. Jahrhundert zurück. Der Vatikan gab dafür schon 1631 seinen Segen. Die irischen Einwanderer brachten die Tradition mit in die USA. Die meisten kamen zwischen 1845 und 1851, als auf der Insel die Kartoffelpest eine Hungersnot auslöste. 19 Millionen US-Amerikaner haben heute irische Wurzeln - das Vierfache der Bevölkerung der Republik Irland.
Die großen Paraden zu Ehren des Patrons der Iren sind übrigens keine Tradition der Insel, sondern der US-amerikanischen Städte. Boston feierte den Tag schon 1737. Die erste Parade reklamiert Chicago im Jahr 1843 für sich. 800 Teilnehmer seien damals gezählt worden. Etwas größer fielen dann die Märsche in Grün ab 1766 in New York aus.
Doppelte Identität
Die Iren bewiesen dabei: ihren Glauben an ein unabhängiges Irland, frei von britischer Bevormundung - und Patriotismus für die neue Heimat. So lässt sich auch erklären, warum die Iren "Corned Beef" schon im 19. Jahrhundert als Mahl für den Saint Patrick's Day annahmen - was nun wirklich weder irisch noch fastenzeitlich ist.
In Boston gibt es zu Saint Patrick 2017 Unfrieden - weil eine schwule Veteranengruppe bei einer großen Parade erstmals seit Jahren nicht mitmarschieren darf. Gegen die Entscheidung der Organisatoren wird heftig protestiert; Sponsoren ziehen sich zurück. Das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen.
Die USA wären nicht die USA, hätte sich der Patrick's Day nicht längst zu einer Werbe-, Tourismus- und Gastronomiemarke der Superlative entwickelt. Laut der National Retail Federation geben die auf 139 Millionen geschätzten "Wahl-Iren" am "Saint Paddy's Day" rund 5,3 Milliarden US-Dollar aus. Das sind knapp 38 Dollar pro Mensch und Tag. Die historische Erinnerung, die Sentimentalität der Iren und ihre Heimatgefühle sind längst eine Symbiose mit der Konsumkultur eingegangen. Dahinter verschwindet der eigentliche Kern des Festes immer mehr.
Als der Kalender im Jahr 2008 den "Paddy's Day" in die Karwoche fallen ließ, griffen die Anhänger des Heiligen zur liturgischen Nothilfe. Sie ließen den Heiligen Patrick schon ein paar Tage vorher hochleben.