DOMRADIO.DE: US-Präsident Donald Trump will beim Kongress 18 Milliarden Dollar für den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko locker machen, die US-Bischöfe fordern eine neue Willkommenskultur für Einwanderer. Gegensätzlicher geht es kaum, oder?
Klaus Prömpers (Ehemaliger Leiter des ZDF-Studios New York und USA-Kenner): Das ist auf den ersten Blick sicher richtig. Aber man muss dazu auch wissen, dass Trump diese 18 Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre – das ist nicht der Gesamtbetrag dessen, was eine solche Mauer gegenüber Mexiko kosten würde – zunächst einmal veranschlagt und mit der Frage koppelt, die vom Kongress, also von den Abgeordneten, vom Senat, entschieden werden muss: Wie geht man mit 800.000 illegalen Immigrantenkindern um, die im Laufe der letzten Jahrzehnte in die USA gekommen sind?
Seit 2012 gibt es eine Ausnahmeregelung für sie – gemacht von Präsident Obama. Diese Ausnahmeregelung wollte Trump abschaffen, es sei denn, der Kongress könne sich auf ein neues Gesetz für diese Kinder einigen. In seinem neuesten Entwurf des Haushaltes koppelt er die 18 Milliarden Dollar für die Mauer mit einer Zulassung der 800.000 jungen Menschen, die im Moment illegal in den USA leben. Eine ziemlich blöde Situation ist das, sowohl für die illegalen Migrantenkinder, also auch für die, die ihnen helfen wollen.
DOMRADIO.DE: Die "Nationale Woche der Einwanderer" läuft bis zum Sonntag und ist eigentlich nichts Neues. Die Bischöfe organisieren sie seit fast einem halben Jahrhundert. Aber in diesem Jahr ist die Woche so politisch wie nie zuvor. Wie äußert sich das genau?
Prömpers: Schon im ursprünglichen Aufruf der Bischöfe und von Kardinal DiNardo, dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz der USA, steht, es gehe darum, sich der eigenen Einwanderungsbewegungen zu erinnern. Denn viele Amerikaner sind ja im Grunde als Immigranten – schon vor Generationen oder vor kurzem – in die USA gekommen. Viele Amerikaner waren einst Immigranten und insofern sollen sie jetzt, so sagen die Bischöfe, den neuen Immigranten mit viel Wohlwollen gegenübertreten, sie als Nachbarn, als Bekannte, als Freunde betrachten und nicht als lästige Eindringlinge. Denn so werden sie ja in den USA – genauso wie in Deutschland – von gewissen Kreisen betrachtet.
Wenn man auf die Facebookseite der Bischöfe guckt, stehen da durchaus auch so hässliche Kommentare wie zum Beispiel "Unsere Regierung muss uns vor den illegalen Einwanderern schützen! Die haben uns schon Milliarden von Steuergeldern gekostet, und nun muss die Regierung den Fluss von Einwanderern stoppen!"
DOMRADIO.DE: Die Bischöfe appellieren also sozusagen an das kollektive Einwanderungsgedächtnis. Gleichzeitig wollen sie auch ein Stück Aufklärungsarbeit leisten. Inwiefern?
Prömpers: Ich denke, es ist Aufklärungsarbeit im Sinne des Erinnerns an die ursprünglich christliche Botschaft der Nächstenliebe – egal wer einem begegnet und wo er einem begegnet. Die Barmherzigen Schwestern haben einen Aufruf verfasst, in dem sie sagen: Hört auf, Migranten und Flüchtlinge zu bezichtigen, dass sie Schlimmes tun. Hört auf, diese Anti-Migranten-Stimmung zu produzieren, sondern geht wieder auf sie zu und stoppt damit die Trennung innerhalb unserer Nation über dieses Thema. Das sagen die Barmherzigen Schwestern in den USA, aber das könnten wir genauso gut in Deutschland sagen.
DOMRADIO.DE: Trump, so könnte man meinen, wird dieser katholische Widerstand herzlich wenig beeindrucken. Ist er dennoch wichtig?
Prömpers: Er ist insofern natürlich wichtig, weil er den illegalen Migrantenkindern beispielsweise eine zusätzliche Stimme gibt, ausgerechnet in einer Woche, in der am Dienstag einige Senatoren aus beiden Parteien – also Demokraten und Republikaner – zu Trump gehen werden, um mit ihm über die Zukunft dieser Migrantenkinder zu verhandeln.
Es ist wichtig, um die Stimmung ein wenig zu entspannen, die ja in Teilen der US-Bevölkerung ähnlich fremdenfeindlich ist wie sie bei uns in manchen Teilen Deutschland oder Europas ist, wenn wir beispielsweise sehen, dass der Spitzenkandidat der Forza Italia, Silvio Berlusconi, heute wieder gesagt hat, Asylanten seien Kriminelle. Das ist eine verbale Entgleisung, wie man sie aber so ähnlich auch bei uns in Deutschland bisweilen hört. So was gibt es natürlich auch in den USA und dem treten die Bischöfe, dem treten die Katholiken, die sich da engagieren, in dieser Woche entgegen.
DOMRADIO.DE: Unter den Trump-Wählern waren ja gar nicht mal so wenige Katholiken. Ist die Aktion der Bischöfe in Ihren Augen auch Ausdruck eines Umdenkens?
Prömpers: In Teilen vielleicht. Weil sich vielleicht nicht alle wirklich im Klaren darüber waren, was es bedeutet, Trump zu wählen. Aber in der Tat ist es richtig: 42 Prozent der weißen Katholiken, insbesondere im Herzland der USA, in der Mitte, im Westen und Osten, haben sehr viel für Trump gestimmt – aus sehr unterschiedlichen Gründen. Teilweise, weil sie sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz gemacht haben, teilweise, weil Trump ihnen versprochen hatte, er sei gegen Abtreibung. Insofern sind sich die Bischöfe ja nicht in allen Fällen mit Trump uneins, aber in der Frage der Flüchtlinge, da sind sie schon über Kreuz mit Trump, die meisten Bischöfe jedenfalls und auch viele Katholiken.
Wir werden nun sehen, ob das Auswirkungen haben wird, insbesondere auf die Nachwahlen für das Repräsentantenhaus und den Senat im November diesen Jahres, wenn etwa ein Drittel des einen und Zweidrittel des anderen neu gewählt werden müssen und man sehen wird, ob die Republikaner mit ihrem jetzigen Anti-Flüchtlings-, Anti-Immigrantenkurs tatsächlich erfolgreich sein können oder nicht, sprich wieder gewählt werden oder nicht.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.