Ralph Moore, ein katholischer Aktivist aus Baltimore, ist wütend und frustriert zugleich: Warum gibt es immer noch keine Seligen oder Heiligen aus der afroamerikanischen Gemeinschaft? Auf der Online-Plattform "Black Catholic Messenger" hat er angekündigt, Ende Oktober nach Rom zu reisen und dort Druck zu machen. Ein Termin bei der vatikanischen Behörde für Selig- und Heiligsprechungen sei bereits vereinbart, an einer Audienz beim Papst werde noch gearbeitet.
Er gehört einer katholischen Laieninitiative an, die in drei historisch schwarzen Pfarreien in Baltimore an der US-amerikanischen Ostküste entstand. Ihr Ziel: endlich schwarze Heilige. "Es ist geradezu verstörend, dass es im Jahr 2023 noch keine afroamerikanischen Heilige in der 247-jährigen Geschichte der USA gibt, während bereits elf weiße US-Amerikaner zu Heiligen erhoben wurden", so Moore.
Verfahren kommen nicht schnell voran
Zu den "Saintly Six", also den sechs Kandidaten für eine Seligsprechung, zählen Pierre Toussaint (etwa 1766-1853), Henriette Delille (1813-1862), Augustus Tolton (1854-1897), Julia Greeley (1833-1848 bis 1918), Mother Mary Lange (um 1789-1882) und Thea Bowman (1937-1990). Ihre Verfahren dauern schon lange und scheinen nicht recht voranzukommen.
Die Initiative aus Baltimore ist seit rund zwei Jahren aktiv. Sie will mit gezielter Medienarbeit die "Saintly Six" bekannter machen. Außerdem haben die Aktivisten eine Briefkampagne gestartet.
Christen zweiter Wahl?
Im Dezember 2021 gingen die ersten 1.500 Briefe an den Papst, im Juni 2022 die nächsten. Ende Oktober hoffen sie, die nächsten Briefe direkt in Rom zu überreichen. Außerdem suchten sie die Unterstützung verschiedener Bischöfe, unter ihnen auch Kardinal Wilton Gregory, erster schwarzer Kardinal der USA und Erzbischof der Hauptstadt-Diözese Washington.
Die Lücke im Heiligenverzeichnis ist für afroamerikanische Katholiken umso schmerzlicher, weil Papst Johannes Paul II. (1978-2005) während seiner Amtszeit Gläubigen weltweit regionale - und je nach Stand oder Beruf passende - Vorbilder anbieten wollte. So wurde eine historisch große Zahl von Heiligen und Seligen kreiert.
Initiative beklagt Bevorzugung weißer Europäer
Ralph Moore lässt seiner Enttäuschung im Netz freien Lauf. Die afroamerikanische katholische Gemeinschaft sei stolz auf ihre unverbrüchliche Treue zur Kirche, die sie umgekehrt aber als Christen zweiter Wahl behandelt habe. «Wir sind der festen Überzeugung, dass die katholische Kirche den schwarzen Katholiken etwas schuldet. Also gebt uns jetzt unsere Heiligen!», fordert Moore mit einigem Furor.
Er weist darauf hin, dass das übliche Seligsprechungsverfahren, die Vorstufe zur Heiligsprechung, für afroamerikanische Katholiken offensichtlich nicht funktioniere. Es fühle sich an, als würden weiße männliche Europäer bevorzugt. Stattdessen schlägt er vor, in diesem speziellen Fall das frühchristliche Prozedere der Akklamation anzuwenden - "santi subito" also für die "Saintly Six". Ein vatikanisches Verfahren zur Heiligsprechung ist erst seit dem 12. Jahrhundert belegt, vorher gab die Verehrung vor Ort den Ausschlag.
"Rassismus in der DNA der katholischen Kirche"
Die katholische Kirche in den USA war tief in die Sklaverei verwickelt; Priester, Bischöfe und Orden besaßen und handelten mit versklavten Menschen. Auch nach Ende der Sklaverei 1865 wurden Katholiken aus der afroamerikanischen Gemeinschaft nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in ihrer Kirche als Menschen zweiter Klasse behandelt. Ein erstes Priesterseminar für afroamerikanische Männer wurde erst 1923 eröffnet, vorher mussten sie für die Ausbildung das Land verlassen.
Eine wichtige Änderung trat mit dem Erstarken der Bürgerrechtsbewegung nach 1950 ein. 1958 positionierte sich die US-Bischofskonferenz erstmals deutlich, indem sie Rassismus verurteilte. 1979 folgte das Hirtenschreiben "Brothers and Sisters to us" (Für uns Brüder und Schwestern) und 40 Jahre später wurde das Grundsatzschreiben "Open wide our hearts" (Öffnen wir unsere Herzen weit) veröffentlicht. "Aber es scheint, als verbleibe der Rassismus in der DNA der katholischen Kirche in den USA, obwohl die Kirche dagegen lehrt", beklagt Ralph Moore.
Aktion zum 1. November geplant
Während die Laieninitiative in Rom versucht, ihre Heiligen auf schnellstmöglichem Weg zu bekommen, ist zusätzlich die katholisch-afroamerikanische Gemeinschaft vor Ort gefragt. Moore schlägt vor, an Allerheiligen (1. November), die Bilder der "Saintly Six" in die Kirchen zu tragen und dabei zu singen: "Oh, When the Saints Go Marching In".