Im lebensfrohen San Francisco quittiert Ortsbischof Salvatore Cordileone die Grundsatzerklärung der vatikanischen Glaubensbehörde zur Segnung unverheirateter und homosexueller Paare mit Schulterzucken. Der Erzbischof tut so, als stünde in dem Text mit dem Titel "Fiducia supplicans" (deutsch: das flehende Vertrauen) wenig Neues.
"Ich ermutige alle, die Fragen haben, die Deklaration des Vatikans genau und im Kontext der unveränderten Lehre der Kirche zu lesen", erklärte Cordileone, einer der Wortführer der Konservativen in der US-Bischofskonferenz. Das werde helfen, das Anliegen seelsorglicher Fürsorge richtig zu verstehen.
Sofort ein Pärchen gesegnet
Der Jesuit James Martin, der sich zum Sprachrohr einer inklusiven Kirche in den USA gemacht hat, liest das zu Wochenbeginn veröffentlichte Dokument ganz anders. Es markiere eine Zeitenwende im Vergleich zu der Stellungnahme, die die Vatikanbehörde noch 2021 abgegeben habe. Damals hatte der Vatikan noch betont, dass Verbindungen von homosexuellen Paaren nicht dem göttlichen Willen entsprächen und deshalb nicht gesegnet werden könnten. Martin nutzte den veränderten Kurs aus Rom sogleich als Grundlage, um ein Paar aus New York zu segnen, wie die "New York Times" berichtete.
Die unterschiedliche Rezeption des Textes des neuen Leiters der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, zeigt die Spaltung innerhalb des US-Klerus. Dessen Führer tun sich anhaltend schwer mit der pastoralen Vision von Papst Franziskus. Dafür steht auch die offizielle Reaktion der US-Bischofskonferenz, die in ihrer eher kargen Stellungnahme wenig Enthusiasmus für die Deklaration zeigt.
"Die Lehre der Kirche zur Ehe hat sich nicht verändert", heißt es darin – um dann den Unterschied zwischen einem förmlichen sakramentalen Segen und einem einfachen pastoralen Segen zu betonen.
"Großer kleiner Schritt"
Der offen homosexuell lebende Theologe Brian Flanagan, der sich bei der LGBTQIA+-Lobbyorganisation New Ways Ministry für sexuelle Minderheiten in der Kirche starkmacht, kann beide Seiten sehen. Die englische Abkürzung LGBTQIA+ steht vor allem für nicht-heterosexuelle Menschen, die sich etwa als lesbisch, schwul oder queer identifizieren. "Es ist ein großer, kleiner Schritt nach vorn", sagte Flanagan dem "National Catholic Reporter". Einige Schlagzeilen gingen aber zu weit; sie täten so, als habe der Papst den Weg zur Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe geebnet. Das Vatikan-Dokument sei sehr spezifisch und auch begrenzt.
Kardinal Fernandez betont in dem Schreiben, dass die Kirche ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Licht der seelsorgerischen Ideale von Papst Franziskus erweitert und angereichert habe. Dadurch sei es nun möglich, "Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare segnen zu können, ohne deren Status offiziell gültig zu machen oder die beständige Lehre der Kirche über die Ehe in irgendeiner Weise zu verändern." Um Verwechslungen mit der Ehe auszuschließen, dürfe bei der Segnung weder ein liturgischer Rahmen gewählt noch entsprechende Kleidung getragen werden.
Meilenstein feiern
Der Leiter des "Catholic Project" an der Catholic University of America, Stephen White, spricht von einer völlig irreführenden Berichterstattung und einer Bereitschaft einiger, bei Dingen voranzupreschen, die verboten blieben. Allerdings sei das vorhersagbar gewesen. "Gott segnet nicht Sünde und kann sie nicht segnen – aber er kann den Sünder segnen; und das tut er öfters."
Marianne Duddy-Burke von der kirchlichen LGBTQIA+-Gruppe DignityUSA spricht dagegen von einem historischen Tag auf dem Weg zu voller Gleichheit und Anerkennung sexueller Minderheiten in der Kirche.
Diesen Meilenstein müsse man feiern.
Der Jesuit Bruce Morrill von der Vanderbilt University sieht in der Vatikan-Erklärung eine Fortsetzung der pastoralen Vision des Papstes.
Sie habe in einem engen Rahmen Grenzen verschoben. Genug allerdings, um die Traditionalisten zu verärgern. Das Portal "LifeSiteNews", ein Organ der katholischen Rechten in den USA, kommentiert indes, der Text stehe "in Widerspruch zu der unveränderbaren katholischen Lehre, dass die Kirche keine sündhaften Beziehungen segnen kann".