US-Präsidentschaftsbewerber machen Wahlkampf in Kirche

Wer glaubt mehr?

Die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain haben erstmals während ihres Rennens um das Weiße Haus gemeinsam auf der Bühne gestanden und sich dabei vor allem zu Religion und Wertefragen geäußert.

 (DR)

Bei einem Wahlkampfauftritt vor 22.000 evangelikalen Christen in der "Saddleback Valley Community"-Kirche im kalifornischen Forest Lake zeigten sie am Samstagabend insbesondere bei der Bewertung von Abtreibung Differenzen. McCain erklärte, schon mit der Empfängnis hätten Babys Menschenrechte. Der Republikaner, der eine Tochter aus Bangladesch adoptiert hat, sprach sich für erleichterte Adoptionen aus. Obama hingegen verteidigte das grundsätzliche Recht der Frauen, in persönlicher Not abzutreiben. Allerdings müsse man sich bemühen, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu verringern, etwa durch mehr Hilfen für junge Mütter, leichtere Adoptionen und bessere Aufklärung.

Beide Kandidaten sagten, dass die Ehe eine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau sei. Obama fügte hinzu, er werde sich für rechtlich abgesicherte Lebensgemeinschaften für Homosexuelle einsetzen. Er sprach sich gegen ein in der Verfassung verankertes Nein zu sogenannten Homoehen aus.

Bei dem vom bekannten Baptistenpastor Rick Warren organisierten Forum betonten beide Konkurrenten ihren christlichen Glauben. Die evangelikalen Christen in den USA sind eine der wahlentscheidenden Gruppen; bislang tendierten sie deutlich zu den Republikanern. Obama werden in Umfragen allerdings durchaus Chancen bei einem Teil dieser Wählergruppe eingeräumt.

Warren ist der neue Star unter Amerikas Pfarrern. Der 54-Jährige ist vor allem wegen des Bestsellers «The Purpose Driven Life» («Leben mit Vision: Wozu um alles in der Welt lebe ich?») bekannt. Die Auflage seiner Bücher beträgt über 30 Millionen. Seine Kirche zeichnet sich durch hohes soziales Engagement, etwa für Obdachlose und Aidskranke in den USA und in der Dritten Welt, aus.

Die Präsidentschaftskandidaten begegneten sich bei der zweistündigen Veranstaltung nur kurz auf der Bühne, wo sie sich freundlich begrüßten und umarmten. Warren richtete an beide Kandidaten dieselben Fragen; Obama antwortete in der ersten Stunde, während McCain in einem abgeschlossenen Raum saß, ohne dem Gespräch folgen zu können.

Obama erklärte, Amerikas größtes Versagen sei es, den Benachteiligten ungenügend zu helfen. Die Aussage Jesu «Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» müsse in der Politik gegenüber Armen und Diskriminierten eine größere Rolle spielen. Auf die Frage, was sein eigenes größtes moralisches Versagen sei, sagte der Senator von Illinois, er sei als junger Mann zu selbstsüchtig gewesen und habe Drogen genommen.

McCain sagte, der größte moralische Fehler der Amerikaner sei es, zu wenig Ziele zu verfolgen, die über das eigene Interesse hinaus gingen. Er bedauerte, dass seine erste Ehe gescheitert sei. Mit Blick auf die Terrorangriffe des 11. September 2001 betonte der Republikaner, er habe einen Ruck in der Gesellschaft vermisst, sich für das Friedenskorps oder andere Freiwilligenorganisationen zu engagieren. Beobachter werteten das als versteckte Kritik an der Politik von Präsident George W. Bush. McCain fügte hinzu, er werde Osama bin Laden «bis zu den Toren der Hölle verfolgen». er bezeichnete den extremistischen Islam als die «Herausforderung des 21. Jahrhundert».

Obama bekannte sich dazu, die Steuern für jene Familien zu erhöhen, die über 150.000 Dollar (102.000 Euro) verdienen. Steuererhöhungen seien notwendig, um die marode Infrastruktur in den USA zu verbessern und um bessere Schulen zu haben.