domradio.de: Steckt man als Republikaner mit Trump nicht ein wenig in der Zwickmühle?
Stefan Prystawik (US-Republikaner und Publizist): Das tut man. Insbesondere, wenn man eine solche Figur wie Trump kritisch sieht. Das trifft auf mich sicherlich zu. Da wird das Leben ganz bestimmt nicht einfach in den nächsten Jahren.
domradio.de: Da blutet einem doch ein bisschen das Herz, wenn man sieht, was aus seiner Partei wird, oder?
Prystawik: Absolut. Wir hatten ja auch in der Vergangenheit schon Kompromiss-Kandidaten, die dann entweder Präsident wurden oder nicht. Mit all diesen Leuten hätte man definitiv gut arbeiten können. Dazu zählt übrigens auch der jetzige Vizepräsident Mike Pence. Auch blutenden Herzens muss man jetzt einfach hier einen Schnitt machen und sagen: So geht es nicht. Das betrifft übrigens nicht nur mich, sondern auch viele andere im Partei-Establishment, wie auch große Zahlen ganz normaler Parteimitglieder.
domradio.de: Die Vereidigung in Washington wurde von der ganzen Welt verfolgt, mit Hoffnung wie auch Misstrauen. Wie war ihr persönlicher Eindruck?
Prystawik: Das war noch mal deutlich patriotischer als man es selbst in Amerika gewohnt ist. Ich fand es Trump-typisch alles ein wenig überzogen. Auch die Rede, die er gehalten hat. Die hatte er in weiten Teilen selber geschrieben. Das halte ich schon für bedenklich.
domradio.de: Er selbst hat es als eine philosophische Rede angekündigt. Zu hoch gegriffen?
Prystawik: Das würde ich so sagen, ja. Er hätte sich ja eine philosophische Rede schreiben lassen können, da er aber darauf bestanden hat, die Inhalte im Wesentlichen selbst zu bestimmen, ist das dann natürlich auch entsprechend ausgefallen. Er ist sich da absolut treu geblieben. Wenn man die Reaktionen aus aller Welt sieht, kommt da auch entsprechendes Entsetzen auf.
domradio.de: Bei der Vereidigung waren auch sechs Geistliche anwesend, so viele wie noch nie zuvor bei einer Amtseinführung. Unter ihnen New Yorks katholischer Erzbischof Timothy Kardinal Dolan. Welche Rolle spielt das, gerade auch diese Vielzahl der Glaubensvertreter?
Prystawik: Die republikanische Partei hat sowohl in der katholischen Kirche als auch im evangelikalen Bereich einen großen Rückhalt – an und für sich. Das spielt erst mal grundsätzlich eine Rolle. Was ich immer noch nicht richtig nachvollziehen kann: So vielen Menschen gibt der Glaube moralische Standards vor. Menschen, die diese Standards auch leben. Trotzdem sehen sie bei Trump über so vieles hinweg, was den Mann unmöglich macht. Es ist ein kleinerer Teil, der konsequent sagt: Wir können unseren Kindern nicht erklären, was der Mann macht. Viele andere haben ihn trotzdem gewählt. Das fällt schon auf. Dabei kann ich eine Anmerkung von Kardinal Dolan durchaus interessant: In der Fürbitte hat er zitiert: „Herr, wenn uns deine Weisheit fehlt, sind wir nichts.“ Ich denke, das spricht für sich.
domradio.de: Wie wird das Verhältnis von Trump zu den Kirchen aussehen in den kommenden vier Jahren?
Prystawik: Das wird sich danach richten, wie viele seiner Ankündigungen er tatsächlich umsetzt und vor allem wie konsequent er auch moralisch ist. Erst mal ist ja grundsätzlich nicht abzulehnen, wenn jemand "Pro Life" ist, also gegen die Abtreibungspolitik. Das kommt natürlich auch im kirchlichen Bereich gut an und ist nachvollziehbar. Das hat auch in der republikanischen Partei Rückhalt. Das ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite wird sein: Wie verhält er sich bei einem moralischen Dilemma oder bei anderen schwierigen Entscheidungen. Davon wird abhängen, wie viel Unterstützung aus dem kirchlichen Bereich ihm bleibt.
domradio.de: Viel wird im Moment gemutmaßt, wie die Präsidentschaft Trumps ablaufen wird. Die einen vermuten, dass er über einen Skandal stolpern wird, Trump selbst spricht auf der anderen Seite schon von einer Kandidatur 2020. Was denken Sie, wie werden die nächsten vier Jahre in den USA aussehen?
Prystawik: Das ist schwierig. Ich würde aber vermuten, dass ein Amtsenthebungsverfahren noch am wahrscheinlichsten ist. Irgendeinen Anlass wird er bieten, sei es auch nur formal-juristisch. Moralisch ist es bei ihm eine andere Sache. So ein Sex-Skandal wie bei Bill Clinton, darüber wird er nur lachen. Bei ihm hat sowas offenbar keine großen Auswirkungen. Wenn er sich allerdings gröbere Schnitzer als Präsident erlaubt, wird das eine Rolle spielen. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass solche Verfahren vergleichsweise lange dauern. Wie ich Trump kenne, könnte er während dieses Verfahrens dann auch noch weitere Anlässe für eine Amtsenthebung bieten. Das könnte passieren. Eine Amtszeit von acht Jahren kann ich mir schlecht vorstellen, auch im Hinblick darauf, dass er jetzt schon über 70 ist. Viele Beobachter sagen aber auch es ist gar nicht mal so wahrscheinlich, dass er die erste Amtszeit durchhält.
domradio.de: Lassen Sie uns in die Glaskugel schauen. Wann gibt es den 46. Präsidenten der USA?
Prystawik: Ich würde sagen in den nächsten drei bis vier Jahren.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.