Vatikan-Berater: EKD-Papier "auf Linie Luthers"

Dankbar für Klarstellung

Den Vatikan-Berater Wilhelm Imkamp hat das EKD-Familienpapier nach eigener Aussage "nicht überrascht". Die Orientierungshilfe sei "ganz auf Linie Luthers", weil sie die Ehe als "weltlich Ding" und nicht als Sakrament beurteile.

Prälat Wilhelm Imkamp (KNA)
Prälat Wilhelm Imkamp / ( KNA )

Imkamp sagte in Berlin, überrascht habe ihn vielmehr die Kritik: "Wenn ich die Ehe nicht als Sakrament sehe, kann ich damit auch machen, was ich will". Er sei der evangelischen Kirche sogar dankbar, dass sie ihre Position so deutlich formuliere, ergänzte der als theologisch konservativ bekannte Prälat, der als Konsultor der Heiligsprechungs- und Gottesdienstkongregation im Vatikan angehört. Vieles in der Ökumene sei "Wischi-Waschi", kritisierte Imkamp. Beide Seiten vermieden oft deutliche Worte. Mit dem Familienpapier sei das anders.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) stellte in der vergangenen Woche ihre Orientierungshilfe zum Thema Familie vor. Darin fordert sie, alle Familienformen anzuerkennen und zu stärken. Dabei schließt sie auch Patchworkfamilien und homosexuelle Partnerschaften ein. Kritiker, auch aus der evangelischen Kirche selbst, greifen das Papier an, unter anderem weil es in ihren Augen die Ehe zwischen Mann und Frau entwertet.

Imkamp, der am Donnerstag sein neues Buch vorstellte, kritisierte an seiner eigenen Kirche einen "Appeasement-Kurs". Die katholische Kirche fokussiere sich teilweise mehr auf den Klimaschutz als auf den Erlöser Jesus Christus. "Das ist ein Problem", sagte Imkamp.

Den Dogmen treu bleiben

Katholiken forderte er dazu auf, sich nicht dem Zeitgeist anzupassen und Dogmen der katholischen Kirche treu zu bleiben. Er kritisierte, dass die Rufe nach einem anderen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, die in der katholischen Kirche von der Eucharistie ausgeschlossen sind, immer lauter würden. Bei solcher Kritik gehe es immer um "Sex-Kram", sagte Imkamp. Nur weil sich viele scheiden ließen, könne dem nicht nachgegeben werden, sagte Imkamp. Es komme ja auch niemand auf die Idee, Steuern abzuschaffen, weil viele Menschen sie hinterziehen, argumentierte der Prälat, der auch Mitglied der wissenschaftlichen Kommission des Archivs der Glaubenskongregation in Rom ist.

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sieht in der EKD-Schrift einen Kurswechsel und eine Abkehr von der biblischen Sicht von Mann und Frau. Voderholzer hatte die "evangelischen Mitchristen" am vergangenen Sonntag in einer Predigt gebeten: "Kehrt bitte auf den Boden der Heiligen Schrift zurück! Welchen Sinn soll Ökumene haben, wenn das gemeinsame Fundament der Heiligen Schrift nicht mehr ernst genommen wird?"

Für den vatikanischen Ökumene-Verantwortlichen, Kurienkardinal Kurt Koch, handelt es sich um ein Zeichen dafür, dass innerhalb des Luthertums heute verstärkt Meinungsverschiedenheiten feststellbar seien. Im Gespräch mit Radio Vatikan betont er, dass der unmittelbare Ansprechpartner in Deutschland nicht der Päpstliche Einheitsrat sondern die Deutsche Bischofskonferenz sei.

"Was natürlich eine besondere Herausforderung ist, ist die Feststellung, dass in der ökumenischen Situation zwischen Lutheranern und Katholiken in Deutschland auf ethischer Ebene immer mehr Differenzen auftreten. Der weitgehend vorhandene oder vorhanden gewesene Konsens in bioethischen Fragen zum Beispiel ist eigentlich nicht mehr da und jetzt ist zu diesem neuen Dokument zu sagen, dass zur Frage der Familie mit dem Katholischen kein Konsens da ist."

Ausweg: Katholisch werden
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Schneider, verteidigt dagegen weiterhin das evangelische Familienpapier: "Wir können und dürfen als evangelische Kirche unsere Augen nicht vor der gesellschaftlichen Realität verschließen", sagte Schneider am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er erklärte, mit dem Papier nehme die evangelische Kirche keinen Kurswechsel vor, "wohl aber einen Perspektivwechsel, der dringend nötig ist". Das Augenmerk müsse sich zuerst auf die "Qualität gelebter Beziehungen und nicht auf den Status" richten. Die Ehe "soll auch das Leitmodell bleiben. Allerdings: Alleinerziehende, Patchworkfamilien und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, die nach den eben genannten Vorstellungen leben, gehören in gleicher Weise gewürdigt."

Der langjährige EKD-Synodenpräses Jürgen Schmude warnte vor einem "kleinen Kulturkampf" über die Themen Ehe und Lebenspartnerschaft. Der SPD-Politiker Schmude lastet dem Familienpapier seiner Kirche deutliche Schwächen an. Die sogenannte Orientierungshilfe mache zwar "in verdienstvoller Weise auf die Vielfalt der Formen achtenswerten familiären Zusammenlebens aufmerksam", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstagsausgabe). Die Unterschiedlichkeit dieser Lebensformen sei aber "den Verfassern leider unwichtig". Ob die Ehe noch etwas Besonderes ist, bleibe offen, kritisiert Schmude: "Während die Lebenspartnerschaft immer stärker der Ehe angeglichen wird, ist diese für den EKD-Text kein Leitbild."

Der frühere Karlsruher Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch wirft der evangelischen Kirche vor, nicht mehr hinter dem im Grundgesetz festgeschriebenen Schutz der Ehe zu stehen. Der Verfassungsjurist sieht einen Richtungswechsel. Er befürchtet, dass viele Gläubige "diesen Kurswechsel als Provokation empfinden". In einem am Donnerstag erschienenen Gastbeitrag des CDU-Politikers in der "Mainzer Allgemeinen Zeitung" heißt es: Die gesellschaftliche Bedeutung der Ehe könne nur verteidigt werden, wenn es starke gesellschaftliche Kräfte als Fürsprecher gebe: "Zu diesen Kräften kann nicht die evangelische Kirche gezählt werden." Für die EKD sei die traditionelle Ehe von Mann und Frau nur noch eine Lebensform von vielen, aber keine privilegierte mehr, kritisierte Jentsch. Falls es nicht gelinge, die Entwicklung aufzuhalten, bleibe für viele wohl nur der Ausweg, katholisch zu werden.

Auch aus der EKD-Führungsebene hält die Kritik an. Der Kirchenpräsident von Anhalt, Joachim Liebig, erklärte, die Orientierungshilfe stelle zwar zutreffend fest, dass die Ehe eine weltliche Einrichtung und kein heiliges Sakrament sei. Die Auffassung, dass das Scheitern einer Ehe wegen wechselhafter Gefühle grundsätzlich legitim sei, sei jedoch kritikwürdig. Zweifellos sei die Einschätzung angesichts der Scheidungszahlen realistisch, sagte er weiter. Ein evangelisches Orientierungspapier sollte aber am Ideal lebenslanger Treue festhalten.


Quelle:
rv , epd , KNA