"Ich persönlich würde keinen assistierten Suizid durchführen, aber ich verstehe, dass ein juristischer Kompromiss unter den konkreten Umständen, in denen wir uns befinden, am besten für das Gemeinwohl sein könnte", sagte der Erzbischof und Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben vergangene Woche bei einer Veranstaltung in Perugia. Das Online-Portal "Il Riformista" hat Auszüge seiner Rede nun veröffentlicht.
Paglia bezog sich auf ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts von 2019, wonach ein assistierter Suizid unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sein kann. Unter anderem muss die betroffene Person eine unheilbare Krankheit haben, die in unumkehrbarerer Weise unerträgliches Leid verursacht; zudem muss sie in der Lage sein, freiwillige und bewusste Entscheidungen zu treffen.
In seiner Rede wandte sich Paglia dagegen, beim Thema assistierter Suizid allein auf Selbstbestimmtheit ohne Bezug auf andere zu setzen.
Menschen brauchen Begleitung
In Ländern, in denen dies der Fall sei, gebe es mehr "unfreiwillige Euthanasie". Zudem bräuchten schwerkranke und sterbende Menschen vor allem Begleitung.
Der Erzbischof deutete zudem eine Öffnung in der kirchlichen Lehre an. "Ich möchte klarstellen, dass die katholische Kirche kein fertig geschnürtes Paket an Wahrheit hat, als ob sie ein Händler von Pillen der Wahrheit wäre", so Paglia. Theologische Ideen entwickelten sich im Verlauf der Geschichte und im Dialog mit dem Lehramt sowie den Lebensumständen der Gläubigen. Die katholische Kirche lehnt assistierten Suizid grundsätzlich ab und wirbt stattdessen für eine intensive Begleitung Sterbender - auch durch schmerzlindernde Palliativmedizin.
Paglias Beitrag wurde von der italienischen Vereinigung "Pro Vita e Famiglia" als "Nachgeben gegenüber der Verirrung der Euthanasie" kritisiert. Die konservative katholische Plattform "La Nuova Bussola Quotidiana" kommentierte Paglias Einlassung mit den Worten: "Eine Ohrfeige für das Lehramt."