Vatikan-Experte lobt Kurienreform

Vision des Papstes

An Pfingsten tritt die neue Verfassung des Vatikan in Kraft. Sie ist eine echte weltanschauliche Wende, sagt Vatikanexperte Marco Politi. Frauen können künftig auch an der Spitze von Vatikan-Ministerien stehen.

Autor/in:
Franziska Hein
Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die neue Verfassung des Vatikans ist nach Ansicht des Experten Marco Politi eine weltanschauliche Wende in der Spitze der katholischen Kirche.

Evangelisation und Wohltätigkeit würden mit der Reform stärker akzentuiert, sagte der Journalist und Publizist dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Glaubenskongregation, ein Pfeiler der Gegenreformation, stehe beispielsweise nicht mehr wie bislang an erster Stelle der vatikanischen "Ministerien", stattdessen habe Papst Franziskus ein neues Ministerium für Evangelisation geschaffen, das er selbst führen wolle.

Keine reine Strukturreform

Die Kurienreform des Heiligen Stuhls tritt an Pfingsten in Kraft. Politi sagte, sie sei weniger eine reine Strukturreform, sondern zeige die Vision des Papstes von einer Kirche, die in der Tradition der ersten Apostel die frohe Botschaft verkünden und im Geist des guten Samariters leben soll. Auch die Prävention von Missbrauch werde in der Verfassung verankert. Die Kommission für den Schutz der Minderjährigen gehöre nun zum Dikasterium für die Glaubenslehre.

Vatikanjournalist Marco Politi (KNA)
Vatikanjournalist Marco Politi / ( KNA )

Neu sei zudem, dass auch Laien, damit auch Frauen, offiziell die Leitung der neuen zentralen Behörden einnehmen dürfen, der sogenannten Dikasterien, sagte Politi. Davon gibt es 16 in der neuen Verfassung. Drei bisherige Kategorien päpstlicher Behörden - Kongregationen, Räte, Dikasterien - heißen nun alle "Dikasterien".

Politi sagte, dass viele Neuerungen, die jetzt auf dem Papier bestünden, schon seit Jahren praktiziert würden. So gebe es schon länger auch Frauen in den Führungsämtern des Vatikans. Beispielsweise gebe es die Untersekretärin der Bischofssynode, Schwester Nathalie Becquart, mit der in der kommenden Weltsynode erstmals auch eine Frau Stimmrecht habe. Auch die Vize-Regierungschefin des Vatikans ist eine Frau, die Ordensschwester Raffaella Petrini.

Erstmals eine zentrale Verwaltungsbehörde

Als dritten zentralen Punkt der Kurienreform nannte Politi die Reorganisation des Bereichs Wirtschaft und Finanzen im Vatikan, um Korruption und Misswirtschaft vorzubeugen. Erstmals gebe es eine zentrale Verwaltungsbehörde, die zusätzlich durch ein weiteres Gremium kontrolliert werde.

Papst Franziskus trifft Vertreter der römischen Kurie (Archiv) / © Paul Haring/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus trifft Vertreter der römischen Kurie (Archiv) / © Paul Haring/Romano Siciliani ( KNA )

Politi betonte, das Vermächtnis von Franziskus gehe weit über die Kurienreform hinaus. Sein Vermächtnis liege in der Vision eines Christentums, das im Geist der Geschwisterlichkeit mit allen Menschen, gleich welcher Herkunft und Religion, gelebt werde. "Im Geiste dieser Bruderschaft sollen sich alle Menschen für das Gemeinwohl engagieren. Gemeinwohl bedeutet für Franziskus eine inklusive Gesellschaft, in der niemand am Rande gelassen wird.

Zugleich bedeutet es auch das Gemeinwohl des gemeinsamen Hauses, dieses Planeten", sagte Politi. Außerdem gebe es schon seit Jahren einen "Bürgerkrieg innerhalb der katholischen Kirche" zwischen Traditionalisten und Reformern.

Doch Politi zeigte sich überzeugt, dass die großen Perspektiven, die Franziskus der Kirche gegeben habe, auf Dauer bestehen bleiben werden.

Der geschichtliche Trend zur Säkularisation ließe sich jedoch nicht mehr aufhalten - dies treffe alle traditionellen christlichen Kirchen. "Ob man nun Frauen als Bischöfe hat oder Homosexuelle als Priester, oder ob Priester heiraten können - das ändert nichts daran, dass die Kirche immer leerer wird", sagte Politi. Wichtig sei, dass der Papst als Gesprächspartner der modernen Gesellschaft gesehen werde. Franziskus sei in dieser Hinsicht sehr wirkungsvoll.

Römische Kurie

Die Römische Kurie ist die Gesamtheit der Behörden und Gerichte, die der Papst zum Regieren der Weltkirche nutzt. Dazu gehören das Staatssekretariat, Kongregationen, Gerichtshöfe, Dikasterien und Päpstliche Räte sowie die Kommissionen. 

Seit der Kurienreform von 1967 unter Papst Paul VI. hatte das Staatssekretariat eine Vorrangstellung unter den Kurienbehörden. Für neue Aufgaben schuf er weitere Sekretariate und Räte, so für Ökumene, für den Dialog mit Nichtchristen und Nichtglaubenden, für Familie und Laien.

Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei (KNA)
Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei ( KNA )
Quelle:
epd