Vatikan-Experte Ring-Eifel zur päpstlichen Anweisung im US-Missbrauchs-Skandal

"Der Ball liegt jetzt in Rom"

Warum bremst der Papst das Maßnahmenpaket der US-Bischöfe gegen sexuellen Missbrauch? Franziskus wolle nicht, dass die Amerikaner einer weltweiten Lösung zuvorkommen, analysiert Vatikan-Experte Ludwig Ring-Eifel.

Vatikan-Experte Ring-Eifel: Franziskus muss jetzt liefern / © Bradley Birkholz (KNA)
Vatikan-Experte Ring-Eifel: Franziskus muss jetzt liefern / © Bradley Birkholz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Woraus bestand denn das Maßnahmenpaket, das die US-Bischöfe eigentlich verabschieden wollten?

Ludwig Ring-Eifel (Chef der Katholischen Nachrichten-Agentur und Vatikan-Experte): Das Paket bestand im Großen und Ganzen aus vier Schritten oder vier Bestandteilen. Das eine war eine Art Regelwerk, wie sich Bischöfe in Zukunft in Sachen Missbrauch zu verhalten haben. Dann die Etablierung einer speziellen Kommission, die Beschwerden prüfen sollte, wenn Bischöfe diesen Regeln nicht genügt haben - wenn sie also vertuscht haben, Priester einfach nur versetzt haben oder nicht hart genug gegen Missbrauch vorgegangen sind. Ferner ein Regelwerk, das Strafen für Bischöfe vorsieht - entweder, weil sie sich selber sexuelle Verfehlungen haben zu Schulden kommen lassen oder die Täter nicht hart genug verfolgt haben. Und schließlich sollte noch ein spezielles Gremium geschaffen werden, wo man solche Klagen gegen Bischöfe deponieren könnte.

Und das alles - und das war der Knackpunkt - sollte von Laien organisiert werden, also nicht von Bischöfen, mit dem Argument: Bischöfe sind selber zu stark involviert und gehen miteinander vielleicht zu gnädig um. Nach dem Motto: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Deswegen sollten Laien und vielleicht sogar Externe - also kirchenferne Leute - diese Sachen überwachen. Das war alles in allem, glaube ich, dann doch ein bisschen zu weitgehend - etwas, was im Vatikan vor allem den Kirchenrechtlern Kopfzerbrechen bereitet hat, mit der Frage, ob das alles im Rahmen des Kirchenrechts überhaupt möglich ist.

DOMRADIO.DE: Wie könnte es denn dann jetzt weitergehen?

Ring-Eifel: Der Papst hat ja die amerikanischen Bischöfe aufgefordert, dieses Maßnahmenpaket jetzt erstmal zurückzustellen und auf Eis zu legen. Er hat nicht gesagt: Das ist falsch. Aber er hat gesagt: Bitte jetzt mal abwarten. Wir treffen uns im kommenden Februar weltweit - alle Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen - und bereden dieses Problem des sexuellen Missbrauchs. Und wir bereden dann auch, wie man mit Bischöfen umgeht, die in der einen oder anderen Weise schuldig geworden sind. Der Papst will nicht, dass die Amerikaner jetzt mit einer eigenen Regelung, die zudem auch noch kirchenrechtlich problematisch ist, vorpreschen und damit das in Frage stellen, was auf Weltebene eingeführt werden soll. Das ist meine Interpretation.

DOMRADIO.DE: Aber für wie realistisch halten Sie denn eine weltweit einheitliche Regelung? Die Situationen in unterschiedlichen Ländern sind ja auch ganz anders.

Ring-Eifel: Ja, aber es gibt ja ein weltweit geltendes Kirchenrecht. Es war ja schon immer der Fall, dass man trotz der unterschiedlichen Situationen in unterschiedlichen Ländern ein weltweit einheitliches Kirchenrecht hat. Das ist ein Riesenfortschritt gewesen und dabei soll es auch bleiben.

Ich glaube, es wird dahin gehen, dass im Vatikan tatsächlich eine Art Sondergerichtshof eingesetzt wird, der dann über Bischöfe richtet, die sich in der einen oder anderen Weise Verfehlungen haben zu Schulden kommen lassen. Der Papst hatte eine solche Sondergerichtsbarkeit ja schon einmal in Aussicht gestellt, hatte sie dann wieder zurückgestellt. Ich glaube, er wird nicht daran vorbeikommen, so etwas in Rom zu etablieren. 

DOMRADIO.DE: Jetzt sollen die US-Bischöfe noch bis Februar warten. Das ist eine lange Zeit. Sie stehen ziemlich unter Druck. Was bedeutet das denn für die katholische Kirche in den USA, wenn sie jetzt erstmal keine eigenen Konzepte vorweisen kann?

Ring-Eifel: Der Druck liegt jetzt nicht mehr so sehr auf den amerikanischen Bischöfen, sondern jetzt liegt der Ball wirklich in Rom. Denn der Papst hat gesagt: Liebe Leute in Baltimore, jetzt haltet mal den Ball flach. Wir regeln das in Rom und zwar weltweit für alle gültig.

Jetzt sind alle Augen auf Rom gerichtet. Jetzt muss Franziskus liefern und muss eine Regelung finden, die auch in Amerika die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche wiederherstellt. Die amerikanischen Bischöfe selber können das jetzt nicht mehr tun. Denen ist gewissermaßen das Heft des Handelns aus der Hand genommen.

DOMRADIO.DE: Das ist jetzt Spekulation, aber meinen Sie, der Papst guckt mal drauf, was die Laien sich ausgedacht haben?

Ring-Eifel: Das wird er mit Sicherheit tun. Denn das, was die amerikanischen Bischöfe da an Entwürfen vorgelegt haben oder vorlegen wollten, hat schon ein paar interessante Elemente. Ich glaube auch, dass er davon einiges übernehmen wird. Es wird aber wahrscheinlich nicht eins zu eins so übernommen werden, wie die Amerikaner es vorhatten.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Ludwig Ring-Eifel / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Ludwig Ring-Eifel / © Elisabeth Schomaker ( KNA )
Quelle:
DR