Vatikan-Experte über die Erwartungen zum Treffen von Papst und Trump

Beschnuppern mit kleinen Gesten?

Die Meldung machte schnell die Runde: US-Präsident Donald Trump kommt im Mai zu einem Treffen mit Papst Franziskus in den Vatikan. Interessant wird sein, in welcher Atmosphäre sich Kirchenoberhaupt und Staatsmann begegnen.

Besucht den Papst: US-Präsident Donald Trump / © Tannen Maury (dpa)
Besucht den Papst: US-Präsident Donald Trump / © Tannen Maury ( dpa )

domradio.de: An diesem Donnerstag wurde kurzfristig angekündigt, dass Papst Franziskus am 24. Mai den neuen US-Präsident Donald Trump empfangen wird. Was weiß man denn bis jetzt über das Treffen?  

Stefan Kempis (Redakteur bei Radio Vatikan): Es war nicht wirklich kurzfristig. Wir haben schon Wochen der Spekulation hinter uns: Kommt er, kommt er nicht? Wird er dann einfach nur nach Brüssel und zu einem Gipfel nach Italien reisen, ohne dem Papst seine Aufwartung zu machen? Damit wäre er der erste Präsident seit Jahrzehnten gewesen, der einen Bogen um den Vatikan geschlagen hätte.

Nicht nur wir haben eine lange Debatte hinter uns, sondern auch der Papst selber hat auf Nachfrage von Journalisten sagen müssen, wenn Herr Trump einen Antrag auf Audienz stellt, dann ist er herzlich willkommen. Denn der Papst empfängt immer Staatsoberhäupter und Regierungschefs. Also haben wir Wochen der Ungewissheit hinter uns, wobei wir jetzt wissen, dass Donald Trump in seinem Terminkalender doch noch Platz für Papst Franziskus gefunden hat.

Immerhin der Mann, der während des US- Wahlkampfs, als Trump der Welt  von seinen Bauplänen bezüglich einer Mauer zu Mexiko berichtet hat, Journalisten gesagt hat, dass derjenige, der eine Mauer baut, kein Christ ist. Nun ist Trump, den er damals indirekt anging, Präsident der USA. Trotz allem denke ich, dass das Treffen schon mal positiv zu bewerten ist.

domradio.de: Aber das sind relativ deutliche Worte gewesen im Wahlkampf. "Wer nur Mauern baut und keine Brücken baut, der ist kein Christ." Belastet diese Aussage das Verhältnis von den beiden?

Kempis: Trump hat auch das ein oder andere in Richtung Papst, Vatikan und Kirche abgeschossen, was hier wiederum nicht große Freundschaftsgefühle ausgelöst hat. Außerdem sind Aussagen eines Präsidentschaftskandidaten anders als die eines gewählten Präsidenten zu werten.

Seitdem Donald Trump US- Präsident ist, hat sich Franziskus sehr bedeckt gehalten. Er hat immer gesagt, dass man erst abwarten solle. Zudem hat er sich auch nicht zur konkreten Politik von Trump geäußert. An dieser Stelle spricht natürlich auch der Lateinamerikaner, der immer mit einem gewissen Maß an Misstrauen nach Washington blickte. Als er jedoch die USA in der Präsidentschaftszeit von Obama besuchte, war er geradezu überwältigt, beispielsweise von der damaligen Klimapolitik der Demokraten.

Also der Papst wartet jetzt ab und will sich zu Trump nicht äußern. Denn der Vatikan will seine Karten nicht offen zeigen, bevor nicht irgendwas Konkretes in den USA passiert ist. Trump ist ja gerade einmal etwas mehr als 100 Tage im Amt.

domradio.de: Die Nationalität des Papstes ist ein ganz interessanter Punkt. Der Papst ist Argentinier, Lateinamerikaner. Viele Menschen in Lateinamerika haben die Befürchtung, dass mit dem Mauerbau und der Politik von Trump der Kontinent wieder zum Hinterhof der USA degradiert wird. Spielt das denn tatsächlich eine Rolle, dass der Papst aus dieser Region kommt?

Kempis: Das wird sicher eine Rolle spielen, insbesondere beim ersten Aufeinandertreffen dieser beiden. Der frühere Erzbischof von Washington, Donald Wuerl hat einmal von seinem Kennenlernen mit Kardinal Bergoglio, also Papst Franziskus, erzählt. Bergoglio kam am Rande einer Sitzung in Rom auf ihn zu und sagte: "Du bist der Erzbischof von Washington. Ich bin der Erzbischof von Buenos Aires." Wuerl fand das freundlich, dass Bergoglio sich auf kollegialer Ebene vorstellte.

Ich denke aber, dass Kardinal Bergoglio ihm auch zeigen wollte, dass er als Kardinal von Buenos Aires auf der gleichen Ebene steht, wie ein Kardinal aus der Hauptstadt der freien Welt. Diese Einstellung des Lateinamerikaners, der mit Misstrauen zu dem großen Bruder USA schaut, hat Franziskus bis jetzt nicht abgelegt. Das wird sicher auch beim Gespräch mit Trump eine Rolle spielen.

domradio.de: Jetzt können wir es nicht ignorieren, dass Donald Trump als Politiker weltweit sehr umstritten ist. In den USA gibt es regelmäßig Proteste gegen seine Politik. Es gibt auch Stimmen in den christlichen Kreisen der US- Regierung, die durchaus versuchen, Aussagen des Papstes als Zustimmung zur Politik Trumps auszulegen. Ist es dem Papst denn bewusst,  welches Gewicht dieses Treffen hat und wie das international bewertet werden wird?  

Kempis: Also dem Papst ist zunächst bewusst, dass von dem Treffen viel abhängt. Ihm selber wird es um ein einfaches Kennenlernen gehen. Es ist bekanntlich das erste Treffen der beiden, so dass man noch nicht so viel dran hängen darf - vor allem nicht thematisch. Die beiden müssen sich erst mal beschnuppern. 

Zudem wird der Papst, wie er es immer bei hohem Besuch macht, seine bisherigen großen Texte, darunter auch seine Enzyklika für den Schutz der Umwelt überreichen - und das dem Klimawandelskeptiker Trump. Auf diese Art der kleinen Gesten wird es hinauslaufen. Das wird dieses Treffen aus meiner Sicht ausmachen.  

domradio.de: Es ist also nicht mit einer großen Rede des Papstes bezüglich Menschenrechte und Demokratie zu rechnen?  

Kempis: Nein, dieses Szenario ist nicht zu erwarten. Der Papst wird erst einmal zuhören. Ich hoffe, dass Herr Trump einigermaßen vorbereitet in das Treffen reingehen wird, damit sie sich auch tatsächlich etwas zu sagen haben. Denn der Papst kann bei solchen Audienzen sehr wortkarg sein. Meist hört er dann einfach nur zu, um seinen Gegenüber zu erfassen.

Sicher ist auch jetzt schon, dass Franziskus Trump hinterher beim öffentlicheren Teil der Begegnung die Pontifikatsmedaille und vielleicht auch eine Medaille mit einer Taube mit Ölzweig im Mund überreichen wird. Dies ist übliches Prozedere bei Staatschefs und dann sagt er auch immer den Satz: "Seien sie ein Mann des Friedens."

Staatschefs, die ein Problem mit der Wahrheit haben, wie beispielsweise der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, machen dann für ihre Propaganda daraus, dass der Papst sagt:" Abbas ist ein Mann des Friedens." Ich hoffe, dass das in den USA, dem Land der Fake News, nach dieser Audienz nicht genauso gehandhabt werden wird.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR