domradio.de: Der Malteserorden ist weltweit als Hilfsorganisation angesehen und versorgt seit Jahrhunderten Bedürftige. Jetzt wird aber die Ordensspitze durch einen beispiellosen Führungsstreit erschüttert. Der dritte Mann in der Hierarchie des Ordens ist abgelöst worden. Großkanzler Albrecht von Boeselager wurde vom Großmeister entlassen. Doch dagegen wehrt sich der deutsche Adelige und sieht sich zu Unrecht angegriffen. Fangen wir doch einmal ganz vorne an. So ganz klar ist ja noch nicht einmal, ob Albrecht von Boeselager tatsächlich als Großkanzler abgesetzt ist, oder nicht?
Dr. Jörg Bremer (Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Rom): Für den Großmeister des Ordens, Matthew Festing, ist die Sache völlig klar. Aktuell ist eine neue Erklärung des Ordens herausgegeben worden, wonach Freiherr von Boeselager seinen Auftrag aufgegeben habe - was nicht stimmt - und mittlerweile ein neuer Großkanzler eingesetzt wurde. Tatsächlich gibt es aus Sicht der Ordensführung einen Nachfolger für von Boeselager, namens John Edward Critien. Das ist jemand, der lange für die Bibliothek und das Archiv des Ordens tätig gewesen ist.
Dies wird allerdings mutmaßlich nur eine kurze Bestellung sein, denn, wenn man dem folgt, was man vom Heiligen Stuhl vernimmt, ist die Geschichte keineswegs so zu Ende, wie es der Großmeister Festling oder der Chefpatron des Ordens, Kardinal Raymond Burke, wollen. Beim Heiligen Stuhl wehrt man sich gegen die Absetzung von Boeselagers - genau so, wie dieser das auch selber tut. Von Boeselager ist derzeit noch in Rom und sieht sich auch weiterhin als Großkanzler, der um sein Amt kämpft.
domradio.de: Schon der Vater von Albrecht von Boeselager, Philipp von Boeselager, war im Malteser-Orden aktiv und die Familie ist lange mit dem Orden verbunden. Wie kann es sein, dass so jemand einfach gefeuert wird?
Bremer: Das Leben des Widerstandskämpfers Philipp von Boeselager hat in diesem Zusammenhang eigentlich relativ wenig mit dem seines Sohnes zu tun. Aber seit den 1970er Jahren ist Albrecht von Boeselager, der Sohn von Philipp von Boeselager, dem Orden verbunden. Er hat mühselig seine Karriere dort zurückgelegt und jahrzehntelang die Arbeit des Ordens als Hospitalier betreut, also als derjenige, der weltweit für die Krankenhäuser und die Armenarbeit zuständig ist und im Katastrophenschutz genau das macht, was der Orden des Heiligen Johannes von Jerusalem seit der Zeit vor dem ersten Kreuzzug auch tut.
Dabei kommt offenbar eine Geschichte zum Vorschein, die, so will es jedenfalls eine Stimme wissen, ihm heute zur Last gelegt wird. Es soll vor drei Jahren die Situation gegeben haben, dass sich von Boeselager dafür eingesetzt habe, dass in Burma auch Kondome verwendet werden. Das sei beim konservativen Teil des Ordens auf Widerstand gestoßen. Aber selbst von diesem konservativen Teil hieß es vor Monaten, diese Sache sei längst erledigt. Jetzt gehe es um etwas ganz anderes. Wir wissen aber tatsächlich heute nicht genau, um was es sich denn handelt.
Einmal kommt diese Geschichte aus Burma zum Vorschein, dann heißt es, der Papst verlange, dass von Boeselager abgesetzt werde. Das ist vollkommen hinfällig. Wir wissen längst vom Heiligen Stuhl, dass der Kardinalstaatssekretär Parolin und damit auch der Papst auf der Seite von von Boeselager stehen. Der dritte Grund, der ins Feld geführt wird, ist der, dass der Großmeister von Boeselager zum Rücktritt aufgefordert habe und dieser den Rücktritt nicht angenommen habe. Weil er deswegen Ungehorsam gezeigt habe, musste er gefeuert werden.
domradio.de: Sie haben in diesem Zusammenhang auch schon Kardinal Raymond Burke erwähnt. Der wurde schon zwei Mal vom Papst aus Kongregationen im Vatikan entfernt und gilt als konservativer Gegenspieler des Argentiniers. Erwarten Sie noch ein Eingreifen von Franziskus in den Führungsstreit?
Bremer: Es ist in der Tat so, dass deutlich und bekannt ist, dass Kardinal Burke eine völlig andere Position einnimmt als der Papst. Kardinal Burke gehört zu den vier Kardinälen, die Klarheit über die Familienpastoral des Papstes haben wollen und einen Brief an Franziskus geschrieben haben. Kardinal Burke ist ganz offensichtlich derjenige, der sich Festings benutzt - und auch umgekehrt. Hier sind zwei, die schwach sind, zusammengewachsen und versuchen, etwas durchzusetzen.
Nun ist es allerdings nicht die Aufgabe des Papstes, in dem Orden Ordnung zu schaffen. Der Orden selbst ist souverän, will aber auch dem Papst gehorchen. Ich denke mir, dass eine Lösung dadurch stattfinden kann, dass Kardinalstaatssekretär Parolin durchsetzt, dass es zu einer Kommission, einem Gremium kommt, das diese Führungsfrage im Orden klärt. Dabei wird der Papst - so denke ich - keine Rolle spielen.
Es gibt ohnehin insgesamt große Mehrheiten für von Boeselager. Man darf nicht vergessen, dass die 40-jährige Arbeit von Baron von Boeselager nicht unbemerkt geblieben ist. Man hat mit dem Wiener Kardinal Schönborn, der dem Papst sehr nahe steht, oder dem Patriarchen von Libanon und all denjenigen, die in der Flüchtlingsarbeit weltweit tätig sind, und denjenigen, die weltweit in der Hospitalarbeit tätig sind, überall Befürworter von Boeselagers. Da kann nicht einfach der Chef des Ordens kommen und sagen, der passt mir aus theologischen und religiösen Gründen nicht und setzt ihn einfach ab.
Das Interview führte Heike Sicconi.