Der Vatikan verzeichnet einen ersten Erfolg bei seiner Vermittlungsmission in der schweren innenpolitischen Krise in Venezuela. Am Sonntag sollen sich Delegationen der sozialistischen Regierung und der bürgerlich-konservativen Opposition auf der Insel Margarita zu direkten Gesprächen treffen, um gemeinsam nach einem Ausweg aus der politischen Krise in dem südamerikanischen Land zu suchen. Doch gleich zu Beginn der vatikanischen Vermittlungsmission gibt es auch Misstöne.
Ziel des Treffens am Sonntag sei es, einen nationalen Dialog voranzubringen, sagte der von Papst Franziskus entsandte Schweizer Erzbischof und Papstbotschafter in Argentinien, Emil Paul Tscherrig, auf einer Pressekonferenz am Montag (Ortszeit) in Caracas. Dazu sei es notwendig, ein Klima des Vertrauens zu schaffen und einen Mechanismus zu erarbeiten, der ein friedliches Zusammenleben garantiere. Davon ist das Land allerdings weit entfernt.
Turbulente Stunden
Die Venezolaner erlebten zu Wochenbeginn turbulente Stunden. Zunächst vermeldeten die venezolanischen Medien ein erstes Sondierungsgespräch zwischen Vertretern des bürgerlich-konservativen Oppositionsbündnisses "Tisch der Einheit" (MUD) und Tscherrig, von dem allerdings ein Großteil der Opposition aus dem Fernsehen erfuhr.
Anschließend trafen die ersten Bilder der überraschenden Zusammenkunft von Papst Franziskus mit Präsident Nicolas Maduro ein. Der regierende Sozialist sprach von einem exzellenten Treffen mit dem Kirchenoberhaupt. Auch das sorgte für Irritationen bei der Opposition.
Verschiedene Erwartungshaltungen
Dabei hatte der Vatikan keine Zweifel an der Dringlichkeit der Begegnung gelassen. Anlass sei die "besorgniserregende politische, soziale und wirtschaftliche Krise, die das Land gerade durchlebt und die den Alltag des gesamten Volkes schwer belastet", teilte das vatikanische Presseamt am Abend mit. Die venezolanische Regierung vermied dagegen wie immer das Wort Krise, die es nach offizieller Lesart gar nicht gibt. Kommunikationsminister Ernesto Villegas teilte mit, in dem etwa 20-minütigen Gespräch sei es um den Kampf gegen die Armut, die organisierte Kriminalität und den Drogenhandel gegangen.
Wie weit die Erwartungshaltungen an die Vermittlungsbemühungen des Vatikan auseinandergehen, zeigten bereits die ersten Reaktionen von Regierung und Opposition. Während Maduro erklärte, er hoffe, der Dialog werde dazu beitragen, dass die Opposition den von ihr eingeschlagenen "Weg des Putsches" verlasse, kommentierte die Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado sarkastisch via Twitter: "Wieder einmal ein Dialog, um Maduro zu retten?"
Massenproteste erwartet
Das Oppositionsbündnis MUD stellte indes die Forderung auf, ein Treffen mit der Regierung müsse in der Hauptstadt stattfinden. Die Oppositionspartei Accion Democratica um den einflussreichen Parlamentspräsidenten Henry Ramos Allup sagte ihre Teilnahme ganz ab.
Auch Lilian Tintori, Ehefrau des inhaftierten Oppositionsführers Leopoldo Lopez, ging am Abend auf Distanz: Es gebe keine Konditionen für einen Dialog, solange es 109 politische Gefangene gebe.
Obendrein sind für den Mittwoch erst einmal Massenproteste der Opposition gegen den Stopp des Abwahlreferendums geplant, den sie als klaren Verfassungsbruch wertet. Caracas Erzbischof, Kardinal Jorge Urosa, sieht in den Protesten kein Problem für die Vermittlungsgespräche am Sonntag: "Das ist ein Recht des venezolanischen Volkes, solange es friedlich bleibt."
Schwere Spannungen
Venezuela wird seit mehr als zwei Jahren von einer Versorgungskrise und schweren politischen Spannungen erschüttert. Menschenrechtsorganisationen und die katholische Kirche kritisieren eine politische Verfolgung von Oppositionellen. Laut Oppositionsangaben sitzen in Venezuela derzeit mehr als 100 politische Gefangene ein, darunter der wegen "Rebellion" zu 14 Jahren Haft verurteilte Oppositionsführer Leopoldo Lopez.