Vatikan hält sich beim Fall Berlusconis zurück

Keine Häme

Äußerst zurückhaltend hat sich der Vatikan am Tag nach der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi zur politischen Lage in Italien geäußert. Die vatikanischen Medien verzeichneten den Vorgang in nüchternen Berichten. Ein Blick auf das Verhältnis der beiden ungleichen Staaten.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Lediglich Radio Vatikan sprach von einer "Wende in der politischen Situation" des Landes, in dem es nach dem Mehrheitsverlust jetzt auf eine technische Übergangsregierung oder Neuwahlen zulaufe. Die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" zitiert Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der Bemerkung, dass nun rasche Entscheidungen und Verantwortungsbewusstsein gefordert seien.



Der Vatikan bemüht sich - unter Wahrung der jeweiligen Eigenständigkeit - stets um korrekte und freundschaftliche Beziehungen zum großen Nachbarland. So vermeidet der Heilige Stuhl bei guter Kooperation in Sachfragen jede Einmischung in Belange der inneritalienischen Politik. Insbesondere halten sich die Offiziellen des Heiligen Stuhls und auch der Italienischen Bischofskonferenz prinzipiell mit Äußerungen zu Spitzenpolitikern zurück. Als sich katholische Medien, etwa die auflagenstarke Wochenzeitschrift "Famiglia Cristiana", über das bunte Privatleben des Ministerpräsidenten mokierten, wiegelten offizielle Stellen ab: Dies sei nicht die Position der Hierarchie.



Berlusconi ging Konflikten aus dem Weg

In der Sache war der Staat-Kirche-Kontakt mit der Regierung Berlusconi auffallend unproblematisch. Insbesondere in ethischen Fragen vermied der Regierungschef jede Konfrontation mit der Kirche. Das galt etwa im Streit um Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden.

Berlusconi, der als wiederverheirateter Geschiedener nicht voll ins kirchliche Leben eingebunden war, versucht sichtlich jedem Konflikt mit den gemeindegebundenen Katholiken aus dem Weg gehen. Denn diese gehören, seit die alte Christdemokratie nur noch in Splitterparteien fortlebt, zum harten Kern seiner Wähler. Insbesondere sein seriös und gebildet auftretender Staatssekretär Gianni Letta, der höchstes Ansehen bei den Spitzen des Vatikans wie bei Italiens Kirchenleitung genießt und beste Kontakte pflegt, garantiert stets gutes Einvernehmen.



Zu Berlusconi selbst wurde der Kontakt zuletzt immer flüchtiger. Selbst zum Jahrestag der Lateran-Verträge zwischen Heiligem Stuhl und Italien im Februar - dem eigentlich geeigneten protokollarischen Termin zu einer Begegnung - erschien der Premier nur als kurzer Gast in der Vatikanbotschaft. Eine Begegnung mit dem Bischofskonferenzvorsitzenden, Kardinal Angelo Bagnasco, kam nicht mehr zustande. Immerhin leitete Berlusconi am 1. Mai die Regierungsdelegation zur Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. auf dem Petersplatz.



Keine katholische Partei mehr

Auch wenn sich der Vatikan strikt aus Belangen der italienischen Politik heraushält, beobachtet er doch aufmerksam die Entwicklung des Landes. Längst vorbei sind die Zeiten, als eine "katholische" Partei - die christdemokratische DC - die gesellschaftliche Geschlossenheit der Katholiken ermöglichte. Seit dem Zusammenbruch der DC in den frühen 90er Jahren haben aktive Katholiken sowohl im

Mitte-Rechts- als auch im oppositionellen Mitte-Links-Lager neue politische Heimaten gefunden.



Die spannende Frage ist, ob und wie sich eine eigenständige politische Kraft zwischen oder jenseits der beiden Lager behaupten kann. Der "Terzo Polo", der dritte Pol um den ehemaligen DC-Mann Pier Ferdinando Casini (UDC) und den abgesprungenen Berlusconi-Koalitionspartner Gianfranco Fini (FLI) würde diese Rolle gerne spielen - jedoch fehlt ihm der Zulauf.



Allerdings hält sich in Rom die Prognose, nach einem tatsächlichen Abgang Berlusconis von der politischen Bühne könnte auch dessen PDL - das "Volk der Freiheit" - auseinanderbrechen. Wer die dann heimatlosen Wähler bindet und welche Rolle dabei katholische Politiker wie Casini oder sein im Vatikan hoch geschätzter UDC-Kollege Rocco Buttiglione, Vizepräsident der Abgeordnetenkammer, spielen, ist noch völlig offen.