Vatikan-Journalistin zur Rolle der Frau in der Kirche

"Franziskus hat Baustelle geöffnet"

Das Bekenntnis von Papst Franziskus zu einer Aufwertung der Frauen in der katholischen Kirche macht sich auch im Vatikan konkret bemerkbar: Das hat die Journalistin, Buchautorin und Radio-Vatikan-Redakteurin Gudrun Sailer dargelegt.

Gudrun Sailer / © privat
Gudrun Sailer / © privat

Sie äußerte sich in Wien als Gast des "Verbandes katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs". "Was das Frauenthema betrifft, weht derzeit ein frischer Wind im Vatikan; man spürt deutlich einen Franziskus-Effekt", so die aus Niederösterreich stammende Expertin.

"Franziskus hat mehr getan als jeder andere Papst"

Die Frauenfrage sei eine der vielen "Baustellen", die Papst Franziskus im Vatikan eröffnet habe, so Sailer. Auch wenn der Pontifex aus Argentinien keine endgültige Antwort dafür geben werden könne, habe er dennoch somit bereits "mehr getan als jeder andere Papst". Es sei ein Grundmerkmal von Franziskus, der Kirche ein ständiges Voranschreiten einzuschärfen, "kein abschließendes Klären-Wollen".

Rund 750 Frauen sind derzeit laut Sailers Recherchen im Vatikan tätig - rund ein Fünftel aller Beschäftigten. "Putzjobs sind das keine - das erledigen die Männer, vielmehr sind die meisten Akademikerinnen", so die Autorin des Buches "Frauen im Vatikan". Besonders hoch sei deren Anteil an der Kurie, wo viele Frauen als Archivarinnen, Kunsthistorikerinnen, Büroleiterinnen und auch Journalistinnen beschäftigt sind. Steigend sei die Zahl der Frauen auch in Führungspositionen, darunter im Vatikanischen Filmarchiv oder im Archiv der Dombauhütte von St. Peter. Auch die deutschsprachige Ausgabe der Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" ist mit der Österreicherin Astrid Haas in weiblicher Hand.

Thema auch in der Glaubenskongregation

Selbst in der Glaubenskongregation sei das Thema angekommen: Für Herbst 2016 ist hier laut Sailers Angaben ein hochrangiges Symposium geplant, zu dem Papst Franziskus bewusst auch kritische Stimmen "eingemeinden" will, zeigte sich die Vatikan-Expertin erfreut. Als weiteren "Ort, an dem man sich im Vatikan als Frau gehört fühlt", nannte sie den päpstlichen Kulturrat, wo sich derzeit das erste rein von Frauen besetzte Gremium mit 25 Mitgliedern formiert. Dieses soll einen "möglichst kritischen Blick" auf die Aktivitäten des Kulturrates werfen und auch Nicht-Katholikinnen umfassen.

Freilich habe sich diese offene Denkweise nicht überall im Kirchenstaat durchgesetzt: Dass manche andere Stellen, wie etwa im vatikanischen Mediensekretariat, ausschließlich von Männern besetzt worden seien, obwohl dies nicht zwingend nötig wäre, bezeichnete Sailer als unverständlich. Auch seien Priester an vielen Stellen überrepräsentiert.

Beginn vor 100 Jahren

Sailer hatte sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Geschichte der weiblichen Angestellten im Vatikan beschäftigt - ein bisher noch "völlig unbearbeitetes Kapitel", wie sie betonte - und ihre Recherchen in mehreren Büchern veröffentlicht. Die erste Frau im Vatikan war die Römerin Anna Pezzoli, die 1915 als Hilfsarbeiterin im vatikanischen Ausstattungsamt angestellt wurde. Besondere Aufmerksamkeit widmete Sailer jedoch der ebenfalls im Vatikan tätigen deutschen Jüdin Hermine Speier (1898-1989), deren Biografie sie 2014 unter dem Titel "Monsignorina" veröffentlichte.

Die in Frankfurt geborene Speier arbeitete zunächst am Deutschen Archäologischen Institut in Rom und benötigte nach ihrer Entlassung 1934 dringend einen Job in Rom, da sie nicht in ihre Heimat Deutschland zurückkehren konnte. Der damalige Museumsdirektor Bartolomeo Nogara holte Speier ins Museum des Vatikanstaates, was Sailer zufolge mit ausdrücklicher Zustimmung von Papst Pius XI. erfolgt sein musste, der mit Nogara eng befreundet war.

Speier baute in den Vatikanischen Museen die Fotothek auf und leitete diese. Ihre unbestreitbaren Qualifikationen halfen bei der Verteidigung gegenüber der zahlreichen Kritik, die es wegen der Anstellung einer jüdischen Frau gab. Im Jahr 1939 konvertierte Speier und wurde während der Nazi-Besetzung Roms von 1943 bis 1944 in einem römischen Nonnenkloster versteckt gehalten. Dem Vatikanstaat blieb sie Zeit ihres Berufslebens treu und entwickelte hier eine ausgedehnte wissenschaftliche Tätigkeit.


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