DOMRADIO.DE: Benedikt lebt zurückgezogen in einem kleinen Kloster in den vatikanischen Gärten, doch das ist ja nur ein paar hundert Meter vom Petersdom entfernt. Fünf Jahre emeritierter Papst – hat sich der Vatikan an diesen Ausnahmezustand gewöhnt?
Jürgen Erbacher (ZDF-Redakteur für Kirchenthemen in Rom und in Mainz): Man hat sich daran gewöhnt, dass Benedikt da ist. Das kleine Kloster ist relativ gut vor neugierigen Blicken geschützt ist. Benedikt hat lange Zeit die vatikanischen Gärten für kleine Spaziergänge genutzt. Er hat immer geschaut, dass er in den kleinen Wald hinter dem Kloster oder an anderen Stellen spazieren geht, die für die Öffentlichkeit nicht einsehbar waren. Viele hatten sich erhofft, dass sie von der Kuppel des Petersdoms einen Schnappschuss auf Benedikt erhaschen können.
Benedikt ist nicht derjenige, der als emeritierter Papst ständig durch den Vatikan läuft. Er ist zuhause und empfängt Gäste; er liest viel und schreibt Briefe. Von daher ist er nicht so aktiv unterwegs, als dass er auffallen würde.
DOMRADIO.DE: Immer wieder gab es in diesen fünf Jahren Berichte über den Gesundheitszustand von Joseph Ratzinger, im April wird er 91 Jahre alt. Er selbst spricht davon, dass er sich auf seiner letzten Pilgerreise nach Hause befindet. Doch der Vatikan dementiert Meldungen über einen schlechten Gesundheitszustand. Wie geht es ihm denn?
Erbacher: Solche Aussagen, wie er sie jüngst in dem kleinen Brief an eine italienische Zeitung gemacht hat, muss man immer mit Vorsicht genießen. Benedikt hat in den letzten Jahren immer wieder gesagt und geschrieben, dass er sich auf der letzten Wegstrecke befindet. Da darf man im ersten Moment nicht gleich erschrecken.
Man muss auf der anderen Seite auch sagen: Er wird im April 91 Jahre alt. Das Alter zollt Tribut, was die Physis betrifft und sein Gesundheitszustand ist einem 91-jährigen entsprechend. Da kann natürlich jederzeit in irgendeiner Form etwas sein. Aber Gespräche mit Menschen aus seinem direkten Umfeld und Menschen, die ihm begegnen, deuten nichts an, was alarmierend wäre und einen besonders aufschrecken müsste.
DOMRADIO.DE: Der Rücktritt vom Papstamt war ein historischer Schritt. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass so etwas wieder passiert. Müssen wir uns darauf einstellen, emeritierte Päpste zu haben, die gleichzeitig leben?
Erbacher: Ja natürlich. Papst Franziskus hat immer wieder gesagt, dass für ihn dieser Schritt auch in Frage kommt, wenn die körperlichen Kräfte nicht mehr ausreichen, um das Papstamt auszuüben. Ich bin ein bisschen skeptisch, dass Franziskus sofort wiederholen wird, was Benedikt gemacht hat. Dafür gibt es im Moment keine Anzeichen, aber Franziskus hat auch immer gesagt: "Wir müssen uns an emeritierte Päpste gewöhnen." Benedikt hat einen Weg freigeschaufelt und es werden mit Sicherheit noch Päpste folgen.
Über die Art und Weise des Rücktritts und darüber wie eine Person, die mal Papst war und zurückgetreten ist später leben wird, darf man gespannt sein. Es könnte künftig noch andere Wege geben, als Papst Benedikt sie gewählt hat. Aber es ist damit zu rechnen, dass ein Papst zurücktreten wird und kann.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.