Vatikan weist Kritik Küngs an Anglikaner-Öffnung zurück

"Viel Bitterkeit"

Der Vatikan hat die Kritik des Theologen Hans Küng an der angekündigten Öffnung der Kirche für übertrittswillige Anglikaner zurückgewiesen. Mit Bitterkeit und ohne Fundament kritisiere Küng das historische Einigungsbemühen des Papstes, schreibt der "Osservatore Romano". Küng hatte das Angebot des Vatikans als "Tragödie" und "unökumenische Piraterie" bezeichnet.

 (DR)

Der Vatikan hatte zu Wochenbeginn in Aussicht gestellt, Anglikanern den Übertritt zum Katholizismus zu erleichtern. Benedikt XVI. werde demnächst spezielle Strukturen für anglikanische Priester und Gläubige einrichten, die ihre Liturgie und ihr geistiges Erbe beibehalten und zugleich in volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche eintreten wollten.

Küng, dem 1979 wegen theologischer Differenzen die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde, sprach von einem drastischen Kurswechsel in der Ökumene. Der Vatikan entferne sich damit von der fundierten ökumenischen Strategie des direkten Dialogs und einer echten Versöhnung. "Er geht hin zu einer unökumenischen Piraterie unter Priestern, denen sogar die mittelalterliche Pflicht des Zölibats erspart wird, nur um ihnen eine Rückkehr nach Rom unter dem päpstlichen Primat möglich zu machen". "Dieser Papst fischt in rechten Gewässern", schreibt Küng in einem Beitrag der italienischen Tageszeitung "La Repubblica".

Nach früheren ökumenischen Fortschritten mache Benedikt XVI. der anglikanischen Gemeinschaft keine Zugeständnisse, so der Tübinger Theologe weiter, sondern setze immer mehr auf einen mittelalterlichen römischen Zentralismus. Der alte Aufruf zur Rückkehr nach Rom durch Konversion erlebe einen neuen Höhepunkt.

"Grundloser Angriff gegen die Kirche von Rom"
Der Vatikan wies die Vorwürfe nun als verzerrend und realitätsfern zurück. "Es lohnt nicht, die Fehler und die Ungenauigkeiten dieses jüngsten Textes von Küng hervorzuheben", heißt es in dem Kommentar von "Osservatore"-Chefredakteur Giovanni Maria Vian. Er ignoriere absichtlich Fakten; der Ton grenze mitunter an Komik und gereiche der Lebensgeschichte Küngs erneut nicht zur Ehre. Schließlich verhöhne er auch den anglikanischen Primas Rowan Williams, der eine Erklärung zu dem Vorgang abgegeben hatte. Küng wirft dem Anglikaner vor, die listige vatikanische Diplomatie offenbar nicht durchschaut zu haben.

Zur Beschreibung der Situation der katholischen Kirche unter Benedikt XVI. verwende Küng den Begriff "Tragödie", schreibt Vian weiter. Um den Artikel des Theologen zu bewerten, brauche man nicht zu derart überzogenen Worten zu greifen - "auch wenn viel Bitterkeit angesichts dieses erneuten grundlosen Angriffs gegen die Kirche von Rom und ihr unbestreitbares ökumenisches Engagement bleibt".