Manchen Katholiken geht es mit den Predigten so wie Huckleberry Finn, der berühmten Romanfigur von Mark Twain: Am Ende weiß man nur noch, wie lang sie war, aber nicht mehr, worum es eigentlich ging. Dem will der Vatikan nun mit einem Predigt-Leitfaden für Priester Abhilfe schaffen. Das 150-seitige Papier, das am Dienstag im Vatikan vorgestellt wurde, enthält Vorgaben, Erläuterungen und Ratschläge, wie katholische Priester ihre Zuhörer von der Kanzel aus "packen" können.
Predigt entscheidet über Gottesdienstqualität
Die Zeiten, als es in manchen katholischen Kreisen noch hieß, die Predigt sei Nebensache, sind offenbar nicht nur in Deutschland vorbei. Für viele Gläubige entscheide heute eine interessante oder langweilige Predigt über die Qualität des gesamten Gottesdienstes, sagte Kurienkardinal Robert Sarah am Dienstag bei der Vorstellung des Leitfadens. Der aus dem westafrikanischen Guinea stammende Geistliche ist seit kurzem Präfekt der vatikanischen Gottesdienstkongregation, die das Schreiben verfasst hat.
Papst Franziskus, der selbst tagaus-tagein in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses ohne Redeskript die biblischen Texte auslegt, ist das Predigen ein besonderes Anliegen. Die Predigt sei ein "Prüfstein, um die Nähe und die Kontaktfähigkeit eines Hirten zu seinem Volk zu beurteilen", schreibt der Papst in "Evangelii gaudium". Es sei traurig, dass Priester und Gläubige hierbei jedoch oft leiden müssten, "die einen beim Zuhören, die anderen beim Predigen", so Franziskus.
Zweites Vatikanisches Konzil in Erinnerung rufen
Wie also muss eine gute Predigt beschaffen sein? Der Leitfaden zitiert hierzu auch Franziskus: Der Priester müsse sein "Ohr beim Volk haben" und lernen, in Bildern zu sprechen. "Ein anziehendes Bild lässt die Botschaft als etwas empfinden, das vertraut, nahe, möglich ist und mit dem eigenen Leben in Verbindung gebracht wird". Es könne dazu führen, "dass die Botschaft, die man vermitteln will, ausgekostet wird", schreibt der Papst, der mit seiner unkonventionellen, bisweilen sogar flapsigen Bildersprache regelmäßig Schlagzeilen füllt. Doch auch diese Warnung von Franziskus findet sich in dem Leitfaden: "Die Predigt darf keine Unterhaltungs-Show sein". Sie entspreche nicht der Logik medialer Möglichkeiten, müsse aber dem Gottesdienst "Eifer und Sinn geben".
Predigtratgeber füllen mittlerweile ganze Bücherregale. Es gibt sogar eine eigene theologische Disziplin, die Homiletik, die sich nur damit beschäftigt, wie man eine gute Predigt hält. Das neue "Homiletische Direktorium" des Vatikan sei jedoch kein weiterer Ratgeber, sondern wolle die Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) und des seitherigen kirchlichen Lehramtes in Erinnerung rufen, sagte ein Mitarbeiter der Gottesdienstkongregation. Begonnen wurde das Projekt schon unter Benedikt XVI., der sich ebenfalls eingehend über das Predigen äußerte.
Ausbildung der Priester in der Kritik
Am Ende der Präsentation stellte ein Journalist am Dienstag im Vatikan schließlich eine Frage, die ans Eingemachte ging: Ob nicht ein guter Priester auch ohne die vatikanische Handreichung ganz gut wisse, was er seiner Gemeinde sagen muss und wie er das am besten macht. Und ob das eigentliche Problem nicht vielmehr eine mangelhafte Ausbildung der Priester sei. Ganz widersprechen wollte ihm niemand.
Der Leitfaden könne jedoch dazu dienen, Dinge wiederzuentdecken, sagte ein Vertreter der Gottesdienstkongregation.
Zurück zu Huckleberry Finn: Wie viele Minuten eine Predigt dauern darf, sagt der Leitfaden nicht. Eine ideale Länge gebe es nicht, erklärte Kardinal Sarah, und ohnehin hänge das Zeitmaß auch vom jeweiligen Kulturkreis ab. "In westlichen Ländern sind 20 Minuten zu viel. In Afrika reichen sie nicht aus", so Sarah. Weil die Gläubigen dort oft von weither zu den Gottesdiensten kämen, könne man sie nicht mit 10 oder 15 Minuten abspeisen. Der Sekretär der Gottesdienstkongregation, Erzbischof Arthur Roche, ergänzte: "Worauf es ankommt, ist, dass Predigten nicht langweilig sind."
Hinweis: Der Leitfaden ist bislang nur auf Italienisch und Englisch erhältlich. Es soll jedoch von diversen Bischofskonferenzen auch in andere Sprachen übersetzt werden. Inhaltlich enthalte das Dokument keine Neuerungen, sondern fasse die geltende Lehre und päpstliche Äußerungen zu dem Thema zusammen, hieß es weiter bei der Pressekonferenz. In dem homiletischen Direktorium geht es vor allem um die richtige Einbettung der Predigten in den liturgischen Kalender und die Festzyklen der katholischen Kirche.