Der Vatikan bereitete sich im Zweiten Weltkrieg offenbar konkreter als bislang bekannt auf eine Entführung von Papst Pius XII. (1939-1958) durch das nationalsozialistische Regime vor.
Wie die vatikanische Tageszeitung "Osservatore Romano" am Mittwoch berichtete, gab es einen Notfallplan, wonach Pius XII. bis zu einem Eingreifen der Alliierten vorübergehend in den Vatikanischen Museen versteckt werden sollte. Die Alliierten hatten dem Vatikan demnach eine Befreiung von Pius XII. durch Fallschirmjäger in Aussicht gestellt, falls die Deutschen ihn in ihre Gewalt bringen sollten. Das geht aus einem bislang unveröffentlichten Memorandum von Antonio Nogara hervor, dem Sohn des damaligen Direktors der Vatikanischen Museen, Bartolomeo Nogara. Als Versteck war demnach der sogenannte Turm der Winde vorgesehen.
Nacht- und Nebelaktion
Laut dem Memorandum beauftragte der damalige vatikanische Innenminister Giovanni Battista Montini, der spätere Papst Paul VI., Nogara zwischen Ende Januar und Anfang Februar 1944 in einer Nacht- und Nebelaktion damit, ein Versteck für Pius XII. zu finden. Sein Vater habe damals berichtet, Montini sei zuvor vom britischen Botschafter beim Heiligen Stuhl Sir Francis d'Arcy Osborne und dem Geschäftsträger der US-amerikanischen Botschaft, Harold Tittmann, vor einer Entführung des Papstes gewarnt worden. Nach geheimdienstlichen Erkenntnissen gebe es einen "fortgeschrittenen Plan" des deutschen Kommandos "zur Festnahme und Deportation des Heiligen Vaters", dessen Ausführung unmittelbar bevorstehe.
Beauftragter informierte Papst
Dass Hitler eine Entführung von Pius XII. plante oder zumindest mit dem Gedanken spielte, ist bereits seit längerem bekannt. Wie konkret diese Pläne tatsächlich waren, ist jedoch nicht klar. Der damalige SS-General in Rom, Karl Friedrich Otto Wolff, berichtete in einem 2005 veröffentlichten Bericht an den Vatikan, Hitler persönlich habe ihm den Befehl zur Entführung des Papstes gegeben. Wolff verweigerte jedoch nach eigener Darstellung die Ausführung und informierte Pius XII. Laut Wolffs Angaben, die aus dem Jahr 1972 stammen, hätte der Papst zunächst in einem Schloss in Baden-Württemberg festgesetzt werden sollen. Das Dokument wurde von der Italienischen Bischofskonferenz veröffentlicht.
Der damalige Direktor der Vatikanischen Museen erfuhr laut dem Bericht seines Sohnes kurz darauf aus dem Vatikan, dass die Deutschen den Plan zur Entführung Pius XII. aufgegeben hätten. Grund dafür seien diplomatische Interventionen der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl gewesen.