Vatikanberater Söding zum Papstrücktritt

Was von Benedikts Theologie bleibt

Benedikt XVI. hat besonders die christliche Lehre gestärkt. So beschreibt Papstberater und Theologieprofessor Thomas Söding das größte Verdienst des scheidenden Papstes. Benedikt habe Vernunft und Glaube zusammengebracht.

Ein Papst der großen Worte (KNA)
Ein Papst der großen Worte / ( KNA )

domradio.de: Sie haben durch Ihre Aufgaben für den Vatikan Gelegenheit gehabt, den Papst öfters persönlich zu erleben. Auch wenn eine knappe Zusammenfassung sicher schwierig ist: Was ist das Besondere an der Theologie des Papstes? Was zeichnet sie aus?

Söding: Es ist zu erkennen, an dem Stil, in dem er auch sein Pontifikat geführt hat: Das ist eine tiefe Glaubensüberzeugung, aber auch die Erkenntnis, dass der Glaube begründet werden kann. Dass er sich der Kritik der Vernunft stellen kann und keinen Schaden nimmt, sondern dass der Glaube dadurch gewinnt. Das hat er als junger Konzilstheologe ausgearbeitet und dem Programm ist er auch als Papst treu geblieben. 

domradio.de: In zahlreichen TV-Porträts wurde am Montag die Unterscheidung zwischen dem jungen, angeblich fortschrittlich-liberalen Ratzinger und dann dem Hardliner getroffen, der sich nach dem 68er-Schock ganz auf die Bewahrung der Tradition verlegt hat. Was ist an diesem Klischee tatsächlich dran?

Söding: Meines Erachtens sind das weitgehend Projektionen, wenn Ratzinger eins gewesen ist, dann immer zu 100 Prozent katholisch, tief verwurzelt im katholischen Glauben. Das heißt natürlich auch, dass er sich nicht eng auf eine bestimmte Form von Tradition festgelegt hat, sondern dass er einfach aus der Verkündigung des Evangeliums, aus dem Lesen der Heiligen Schrift, aus der Feier der Sakramente heraus gelebt hat. Er war Professor, er ist aber auch immer Priester gewesen, er hat das beides zutiefst miteinander verbunden. Meines Erachtens hat er so auch als Papst gewirkt, dass man eben im Laufe des Alters ein bisschen konservativer wird, das ist ja eigentlich nur ganz natürlich. 

domradio.de: War er der „Professor Papst", vielleicht auch zu sehr der Professor?

Söding: Ich habe das sehr geschätzt. Ich möchte eigentlich nicht nur einen Papst der großen Gesten, sondern ich möchte auch einen Papst der großen Worte, dass er besonders kompliziert gesprochen hat, kann man ihm eigentlich nicht nachsagen.

domradio.de: Für ihre Ohren vielleicht nicht, weil sie selbst Theologie-Professor sind, oder?

Söding: Ich glaube das nicht. Ich höre das auch von Vielen, dass er eine Sprache gefunden hat, die man ganz gerne hört. Wer die Jesus-Bücher von ihm gelesen hat, so überkomplex sind sie eigentlich nicht. Was er gefordert hat: Man musste ihm schon genau zuhören. Er setzte auf die Macht des Wortes und das erkenne ich jetzt eigentlich auch als tiefes Motiv hinter seinem Rücktritt. Es ist eine eigene Konsequenz. Wer wirklich so auf die Überzeugungsarbeit setzt, auf gute Predigt, auf starke Meditation und dann merkt, dass die Kräfte nachlassen, der ist konsequent, wenn er dann zurücktritt.

domradio.de: Viel Respekt hat Johannes Paul II. sein öffentliches Leiden und Sterben eingebracht – jetzt heißt es aber auch, dass der Rückzug des Papstes Respekt verdient. Wie erklären Sie diese große Geste von Benedikt mit Blick auf sein theologisches Denken?

Söding: Dieses öffentliche Leiden von Johannes Paul II. war sehr eindrucksvoll, aber wenn man jetzt mal nicht nur auf diese große Person achtet, sondern auch auf den Zustand der Kirche, dann muss man natürlich sagen, dass sich hinter der Fassade dieser Krankheit des Papstes sehr vieles getan hat, was der Kirche nicht unbedingt gut getan hat. Joseph Ratzinger hat das aus unmittelbarer Nähe beobachtet, er hat es aber zu der damaligen Zeit nicht verändern können und er hat sich offensichtlich entschieden und das ja auch ab und an gesagt, das braucht die Kirche nicht wieder. Er ist sozusagen Herr seiner Entscheidung geblieben. Er hat gesagt, dass er das, was er der Kirche mit auf den Weg geben wollte, ihr mit auf den Weg gegeben hat und jetzt müssen eben andere ran, also das Amt ist größer als die Person. Das ist auch ein theologisches Motto von Joseph Ratzinger.

domradio.de: Nun gibt Papst Benedikt sein Amt zum 28. Februar auf. Was wird Ihrer Meinung nach von seinem Pontifikat überdauern?

Söding: Ich meine schon, dass es eher ein stiller Papst gewesen ist, der im Gedächtnis bleibt, dass er ein Papst, der leisen Worte und Gesten gewesen ist. Ein sehr nachdenklicher Mensch, ein Intellektueller, der Frömmigkeit und Vernunft in Verbindung gebracht hat. Ich glaube, mit einigem Abstand wird man auch merken, dass er eben der Papst gewesen ist, der die Kirche an ihren Glauben erinnert hat, vielleicht weniger der große Politiker, ein wenig mehr der Lehrer. Das ist natürlich auch das ureigene Amt des Bischofs, denn der Papst ist der Bischof von Rom, der Bischof ist in erster Linie Lehrer und wenn Papst Benedikt eines stark gemacht hat, dann eben die christliche Lehre.

Das Interview führte Tobias Fricke (domradio.de) 

Thomas Söding

Thomas Söding wuchs in Hannover auf, er machte sein Abitur in Bad Harzburg im Harz, wo er auch seine Frau kennenlernte, "der beste Moment meines Lebens", wie er bis heute sagt. Sie leben in ihrer Wahlheimat Münster, weil laut Söding "hier vieles zusammenpasst: eine kleine Großstadt, eine katholische Kirche mit Kultur, eine Stadt der Wissenschaft mit Bodenhaftung". 

Prof. Dr. Thomas Söding / © ZdK/ Peter Bongard (Zentralkomitee der deutschen Katholiken)