Der Arbeitersamariterbund (ASB) forderte am Montag in Berlin, mit dem geplanten Bundesteilhabegesetz die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen umfassend zu reformieren. Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenkonvention, sagte: "Es ist höchste Zeit, dass Deutschland die Weichen für eine inklusive Gesellschaft stellt." Aichele betonte, es sei nicht nur das Tempo zu erhöhen, sondern es müssten auch Strukturen geändert und gesellschaftliche und politische Widerstände gegen Inklusion überwunden werden.
Zu den Kernforderungen des ASB gehört, dass die Teilhabeleistungen künftig einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden sollen: "Es kann nicht sein, dass ein berufstätiger Mensch mit Behinderung etwa persönliche Assistenz aus eigener Tasche bezahlen muss und der Sozialhilfeträger erst einspringt, wenn sein privates Vermögen und Einkommen oder das seiner Angehörigen aufgebraucht sind", sagte Gabriele Osing, Leiterin der Abteilung Soziale Dienste beim Bundesverband, am Montag in Berlin.
Um die Teilhabe von Behinderten zu verbessern, bedürfe es einer soliden Finanzierung, sagte die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele. "Alles andere wäre reine Sozialkosmetik." Menschen mit Behinderung seien keine Bittsteller, sondern hätten ein Recht auf Teilhabe. Durch die Reform der bisherigen Eingliederungshilfe zum Bundesteilhabegesetz sollen laut Bentele auch die Bedingungen für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessert werden.
Weniger Sonderschulen, mehr Behinderte im ersten Arbeitsmarkt
Valentin Aichele von der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenkonvention verwies auf den jüngst vorgestellten Bericht des UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der sein Staatenprüfungsverfahren über Deutschland veröffentlicht hat. Darin fordere das Gremium unter anderem, die Zahl der Sonderschulen deutlich zu verringern, behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam zu unterrichten sowie die Werkstätten zugunsten einer Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt abzuschaffen.
Die Diakonie setzt sich für eine bessere Teilhabe von Betroffenen am Arbeitsleben ein. Der Aufschwung am Arbeitsmarkt gehe an Menschen mit Behinderungen vorbei, sagte Vorstand Maria Loheide. Ihre Arbeitslosenquote ist mit 14 Prozent doppelt so hoch wie die anderer Erwerbsloser. Nach Ansicht der Diakonie sind dringend Bildungs- und Arbeitsangebote nach bundesweit einheitlichen Kriterien zu entwickeln, die Menschen auch mit schweren Behinderungen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen.
"Diskriminierung Schwerstbehinderter beenden"
Auch die Lebenshilfe Berlin mahnte Verbesserungen seitens der Politik an. "Durch die Sparmaßnahmen im Land Berlin hat sich die Lebens- und Wohnsituation unserer Söhne und Töchter dramatisch verschlechtert", kritisierte Ingrid von Randow, zweite Vorsitzende der Lebenshilfe Berlin. Ausgerechnet jene Menschen, die intensive Hilfe am meisten benötigen, seien deutliche Verlierer des Leistungssystems für stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe in Berlin.
Kleine, individuelle Wohnangebote für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf gebe es in Berlin praktisch nicht, betonte von Randow: "Deutschland und Berlin haben sich verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Es ist höchste Zeit, die Diskriminierung schwerstbehinderter Menschen zu beenden."