"Genitalverstümmelungen sind Verletzungen des Körpers und der Seele. Sie verletzen die sexuelle Selbstbestimmung ebenso wie sie die Gefahr von Geburtskomplikationen erhöhen", erklärte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, am Freitag in einer Erklärung mehrerer Verbände zum Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung an diesem Sonntag. Es handele sich um eine schwere Menschenrechtsverletzung, und daher müsse sie uneingeschränkt als Asylgrund anerkannt werden.
Straftatbestand und großes Tabu
Seit 2013 ist die Verstümmelung und Beschneidung weiblicher Genitalien den Angaben zufolge in Deutschland ein Straftatbestand. Die Caritas und seine Fachverbände Invia und der Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein (SkF) fordern ein konsequentes Vorgehen. Präventive Angebote, Beratung und medizinische Hilfe für Mädchen und Frauen müssten hierzulande ausgebaut werden. Oft sei das Thema ein großes Tabu.
Die Verbände dringen zudem auf eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Communities, aus denen die Eltern von gefährdeten Mädchen kommen. Mütter und Väter müssten über die lebenslangen Folgen und rechtlichen Hintergründe von Genitalverstümmelung aufgeklärt werden.
Warnung vor Situation in der Corona-Pandemie
Die Frauenhilfsorganisation Solwodi verwies darauf, dass der Eingriff sowohl illegal in Deutschland als auch bei einer Ferienreise in das jeweilige Herkunftsland vollzogen werden könne. Die Einschränkungen in der Corona-Pandemie erhöhten die Gefahr für Mädchen: "Können sie nicht regelmäßig die Schule besuchen oder Sport treiben, fällt der Eingriff oft niemandem auf." Da häufig engste Bezugspersonen an dem Eingriff mitwirkten, seien Traumata besonders ausgeprägt.
Auch Solwodi lenkte den Blick auf Asylverfahren. Im deutschen Asylrecht sei die Bedrohung durch weibliche Genitalverstümmelung als geschlechtsspezifische Verfolgung und als Fluchtgrund anerkannt. Allerdings sehe die Realität oft anders aus: "Die Entscheidungsträger im Asylverfahren glauben oft, wenn ein Staat die weibliche Genitalverstümmelung offiziell verboten hat oder die Mutter gegen die Beschneidung ist, dass es dann auch nicht passieren kann", erläuterte die Solwodi-Vorsitzende Maria Decker. Vor allem in traditionellen Zusammenhängen komme es meist dennoch zu dem Eingriff.
200 Millionen Frauen und Mädchen weltweit betroffen
Das Entwicklungsministerium wies darauf hin, dass weltweit derzeit mindestens 200 Millionen Frauen und Mädchen mit den körperlichen, psychischen und sozialen Folgen leben. Um gegen die Beschneidung vorzugehen, müssten neben Aufklärung auch "traditionelle und religiöse Autoritäten sowie die ältere Generation" einbezogen werden, damit sie einen Wandel anstoßen könnten. Das Ministerium unterstütze die Bekämpfung geschlechtsbasierter Gewalt insgesamt mit rund 37 Millionen Euro.
In 30 Ländern mit zuverlässigen Daten sank der Anteil betroffener Frauen laut Ministerium in den vergangenen 30 Jahren um insgesamt 15 Prozent. In einigen Ländern jedoch seien weiterhin fast jedes Mädchen und jede Frau betroffen, beispielsweise in Somalia (99 Prozent) und in Mali (89 Prozent).