Andalusien muss Osterumzüge erneut absagen

Verbitterung bei den Gläubigen

In Andalusien schlägt in der Woche vor Ostern das Herz des katholischen Spanien. Doch die traditionellen Osterumzüge fallen wegen der Pandemie erneut aus. Das sorgt für Resignation bei den Menschen.

Autor/in:
Manuel Meyer
Jesus-Darsteller bei einer Prozession in Spanien (Archiv) / © imagestockdesign (shutterstock)
Jesus-Darsteller bei einer Prozession in Spanien (Archiv) / © imagestockdesign ( shutterstock )

"Ich möchte einfach nur noch weinen", sagt Rosalia Lopez Jimenez. Traurig schaut die betagte Spanierin in der Pfarrkirche von Adra auf die Holzfiguren in der Seitenkapelle. Sie zeigen den verhafteten Jesus, den Evangelisten Johannes, einen römischen Centurio und die "Jungfrau der Bitterkeit". Normalerweise wäre die Darstellung der Passion Christi am Dienstagabend durch die Gassen der andalusischen Küstenstadt im Südwesten Almerias getragen worden.

Tausende Zuschauer wären dabei gewesen. In den Straßen hätte es nach Weihrauch und Kerzenwachs gerochen - normalerweise.

Weltberühmte Prozessionen fallen aus

Doch in der Corona-Pandemie ist nichts normal und auch in diesem Jahr fallen in Adra die Feierlichkeiten und Osterumzüge aus. Selbst die weltberühmten Prozessionen der Semana Santa, der Heiligen Woche, in Sevilla, Malaga, Cordoba und Granada finden auf Weisung der Bistümer nicht statt.

In Spanien werden die Karwoche und Ostern gefeiert wie an wenigen Orten auf der Welt. Vor allem im südlichen Andalusien werden die Osterumzüge mit besonderer Inbrunst gelebt. Sie haben ihren Ursprung im 16. Jahrhundert, als die katholische Kirche begann, mit figürlichen Darstellungen dem einfachen Volk in Straßenprozessionen das Leiden Christi näher zu bringen.

Die kunstvoll gekleideten, teils lebensgroßen Holzfiguren werden von sogenannten "Hermandades", katholischen Bruderschaften, auf Prozessions-Altären durch die Straßen getragen.

Jose Mariano Orozco ist "enttäuscht". Die Plakate waren schon gedruckt, das Festprogramm ausgearbeitet, die Blumen bestellt.

Hunderte Menschen begleiten die Prozessionen durch die Stadt während der Semana Santa. / © Miguel Ángel Osuna (privat)
Hunderte Menschen begleiten die Prozessionen durch die Stadt während der Semana Santa. / © Miguel Ángel Osuna ( privat )

Monatelang hatte seine "Bruderschaft der Gefangennahme" Maßnahmen ausgelotet, mit denen die Prozession am Dienstag doch noch stattfinden könnte. Seine Bruderschaft wollte sogar riesige Balken unter dem Prozession-Altar installieren lassen, damit die rund 40 Personen, die nötig sind, um die 1.500 kg schwere Skulpturengruppe bis zu sechs Stunden durch die Straßen zu tragen, nicht zusammengedrängt unter dem Altar gehen, sondern mit Abstand.

"Ich kann gar nicht ausdrücken, wie mich die Entscheidung des Bistums Almeria trifft", erklärt Orozco am Eingang der Pfarrkirche in Adra.

Auch die elf Osterumzüge der anderen Bruderschaften zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag wurden in der kleinen Küstenstadt abgesagt. Das findet Orozco unverhältnismäßig. In Madrid, Valencia und Barcelona kann man Theater und Kinos besuchen. Restaurants und Geschäfte sind voll.

Ski und Pop-Konzerte gehen

Unweit von Adra sind in der Sierra Nevada die Skipisten geöffnet und in Barcelona fand das erste große Pop-Konzert mit über 5.000 Besuchern statt. "Und wir dürfen nicht einmal auf den Straßen unsere Religion feiern", ärgert sich der Vorsitzende der katholischen Bruderschaft, die in diesem Jahr zudem ihr 25-jähriges Bestehen feiern wollte.

Orozco gibt zu, dass es bei emotionalen Osterprozessionen nicht leicht gewesen wäre, die Menschen auf Abstand zu halten. Aber in Huelva, im äußersten Südwesten Andalusien, habe das Bistum beim diesjährigen "Kreuzweg" gezeigt, dass es möglich sei, Umzüge sicher zu organisieren, meint Orozco.

"Vielleicht ist es aber besser, alles ausfallen zu lassen. Sonst bekommen wir diese Pandemie niemals in den Griff", meint Rosalia.

Semana Santa in Spanien / © Christoph Paul Hartmann (DR)
Semana Santa in Spanien / © Christoph Paul Hartmann ( DR )

Doch beim Anblick der "Jungfrau der Bitterkeit" in der Pfarrkirche wird sie nostalgisch. "Für mich bedeutet es sehr viel, unsere Jungfrau durch die Straßen ziehen zu sehen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl und mit meinen 81 Jahren weiß ich nicht, wie oft ich das noch erleben kann."

Ehrfürchtig nähert sich Rosalia in der kleinen Pfarrkirche aus dem 16. Jahrhundert der Maria. Obwohl die Prozession abgesagt ist, hat die Bruderschaft die Holzfiguren festlich mit Kerzen und frischen Blumen geschmückt und die Gläubigen eingeladen, die Kirche zu besuchen.

"Hoffentlich können wir unsere Jungfrau und den Heiland zumindest im nächsten Jahr wieder gebührend feiern", meint Orozco, während er Gläubige begrüßt. Viele nehmen Bilder oder Anstecknadeln mit den Abbildungen vom "Jesus der Gefangennahme" und der "Jungfrau der Bitterkeit" mit. Bitterkeit trifft die Gefühlslage vieler Gläubiger gerade in Andalusien und in Adra derzeit wohl am besten.

Karwoche

Die letzte Woche vor Ostern wird auch als Karwoche bezeichnet. Das Wort "Kar" stammt aus dem Althochdeutschen und bedeutet "Trauer", "Klage" oder "Kummer". Die Karwoche beginnt mit dem Palmsonntag: In Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem versammeln sich die Gläubigen zur Segnung der Palmen - in Deutschland meist Buchsbaumzweige - und ziehen dann in einer Prozession zum Gotteshaus.

Karwoche / © Felix Kästle (dpa)
Karwoche / © Felix Kästle ( dpa )
Quelle:
KNA