"Nicht vom Kopftuch an sich geht eine Gefahr der Diskriminierung für Schülerinnen aus. Die Gefahr einer Diskriminierung tritt vielmehr dann auf, wenn Politik und Schulen eine bestimmte Lebenskultur wie das Tragen eines Kopftuchs pauschal als Gefahr identifizieren", erläutert der Verfassungs- und Staatsrechtler Wolfgang Hecker in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" am Montag.
Auch die Feststellung, das Kopftuch bei Kindern habe nichts mit Religion zu tun, sei "viel zu undifferenziert", betonte Hecker weiter: "Zwar sieht auch die Mehrheit der Muslime und der muslimischen Verbände in dem Tragen eines Kopftuchs durch Kinder keine religiöse Verpflichtung. Dies schließt aber nicht aus, dass in Einzelfällen Eltern oder auch eine Schülerin eine entsprechende religiöse Pflicht bejahen und leben."
"Individuelle Freiheit des Glaubens nicht missachten"
Durch Parteibeschluss oder eine sich daran anschließende Staatspraxis könne nicht verfügt werden, dass das Tragen eines Kopftuchs nichts mit Religion zu tun habe, ergänzte der Verfassungsrechtler: "Damit würden die individuelle Freiheit des Glaubens nach dem Grundgesetz und auch das Elternrecht des Grundgesetzes missachtet, das eine religiöse Prägung der Kinder durch ihre Eltern zulässt, wie es auch für die Erziehung im christlichen Glaubensverständnis anerkannt ist."
Auch ohne ein Kopftuchverbot gebe es Vorgaben, die von Lehrkräften und der staatlichen Schulverwaltung zu beachten seien, so Hecker weiter: "Eine staatliche Aufklärungsarbeit und Elterninformation muss die Freiheit des Glaubens und das Elternrecht achten. Deshalb wäre es verfassungsrechtlich unzulässig, in diskriminierender Weise gegenüber Schülerinnen und Eltern einseitig und pauschal die Unerwünschtheit des Kopftuchs in der Schule zu propagieren."
Offener Dialog in der Schule mit Eltern gefragt
Für einen produktiven Umgang mit dem Thema Kopftuch von Schülerinnen sei es "unerlässlich, dass sich die Politik von Verbotsfantasien ebenso verabschiedet wie von entsprechenden Androhungsszenarien gegenüber den Eltern der Mädchen."
Gefragt sei ein offener Dialog in der Schule mit Eltern und muslimischen Verbänden, der entsprechend dem Grundgesetz die Freiheit des Glaubens respektiere: "Nur in begründeten Einzelfällen, wenn Anzeichen für spezielle Probleme eines Kindes aufgrund eines von den Eltern erzwungenen Kopftuchs bestehen, ist das Gespräch mit diesen Eltern zu suchen."