Verhältnis von Opposition und Kirche hat sich abgekühlt

Kubas enttäuschte Dissidenten

Gereizte Stimmung auf Kuba: Seit dem Besuch von Papst Benedikt XVI. Ende März hat sich das Klima zwischen der katholischen Kirche und der kubanischen Opposition sowie den Exil-Kubanern in Florida spürbar verschlechtert.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Deutlich wurde das diese Woche in der kubakritischen Tageszeitung "El Nuevo Herald". Das Sprachrohr der Exil-Kubaner in Miami titelte "Kubanische Dissidenten widersprechen Kardinal Ortega" und fasste damit die derzeitige Stimmung zusammen.



Äußerungen von Erzbischof Ortega in der Kritik

Ursache für den Konflikt ist eine Äußerung des Erzbischofs von Havanna, Kardinal Jaime Ortega, über die Gruppe von 13 Demonstranten, die wenige Tage vor der Ankunft des Kirchenoberhauptes eine Kirche in Havanna besetzt hatten. Der Kardinal sprach von einer Gruppe von Kriminellen; der überwiegende Teil sei ohne Ausbildung und zudem noch mit mentalen Problemen - zitiert "El Nuevo Herald" Ortega.



Die Exil-Kubaner reagieren wütend: "Wir können nur sagen, dass es sich bei den 13 um Mitglieder unserer kubanischen Gesellschaft handelt", antwortete der Aktivist Elizardo Sanchez in der Zeitung. Die Kommentare Ortegas seien "unglaublich". Bei den Kirchenbesetzern habe es sich überwiegend um nicht vorbestrafte Oppositionelle gehandelt, schreibt "El Nuevo Herald". Ein Architekt sei dabei gewesen, junge Kubaner, denen das Recht verweigert worden sei, zu studieren oder zu arbeiten, eben weil sie sich gegen das Regime auflehnten.



"Er war doch auch mal inhaftiert, genau wie wir"

Unter den Demonstranten befand sich auch der Baseballspieler Ronnier Valentin Aguillon. Er empfindet den Angaben zufolge das Etikett der Straftäter, das der Kardinal ihnen anhängte, als Verrat. "Er war doch auch mal inhaftiert, genau wie wir", erklärt Aguillon mit Blick auf die ersten Jahre nach der kubanischen Revolution, als Ortega als aufmüpfiger Vikar 1966 für ein paar Monate im Arbeitslager landete.



Der Streit zwischen Ortega und Kubas Opposition im In- und Ausland markiert einen Wendepunkt in den Beziehungen. Kubas Dissidenten verfolgen bereits seit Monaten kritisch den Dialog zwischen der Kirche und der Regierung von Präsident Raul Castro. Hatte die Opposition zunächst noch die Vermittlungserfolge Ortegas gelobt - er hatte in direkten Gesprächen mit Castro die Freilassung aller während des Schwarzen Frühlings 2003 festgenommenen Regimekritiker erreicht -, so ist das Verhältnis zwischen Kirche und Opposition nun deutlich abgekühlt. Von Kollaboration ist die Rede, einem Einknicken der Kirche vor der Staatsmacht.



Menschenrechtler sehen Rückgang von Repressionen

Die Zahlen, die die kubanische Menschenrechtsorganisation CCDHRN in dieser Woche veröffentlichte, sprechen allerdings eine andere Sprache: Demnach gab es einen spürbaren Rückgang von Maßnahmen gegen oppositionelle Dissidenten im Monat nach dem Papstbesuch. Im April seien 402 vorübergehende Festnahmen von Regierungskritikern erfolgt; im März, so die Organisation, seien hingegen 1.158 Menschen für mindestens 24 Stunden oder länger festgehalten worden. Die Zahl der Dissidenten, die im laufenden Jahr in Hochsicherheitsgefängnissen inhaftiert wurden, gibt CCDHRN mit neun an. Derzeit befänden sich rund 200 politische Gefangene in kubanischen Haftanstalten. Vor Beginn der kirchlichen Vermittlungsgespräche waren die Zahlen deutlich höher.



Die kubanischen Dissidenten machen indes keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung, dass Benedikt XVI. während seines Besuches keine Oppositionellen getroffen hat, stattdessen aber Revolutionsführer Fidel Castro. Sacharow-Preisträger Guillermo Farinas hatte das Kirchenoberhaupt schon vor seiner Ankunft aufgefordert, "Nähe zu den Opfern des seit 53 Jahren herrschenden Systems" zu demonstrieren. Kubas Kirche scheint endgültig zwischen die Fronten geraten zu sein.