Zwei vergewaltigte und getötete junge Frauen innerhalb weniger Wochen haben Freiburg und eine gesamte Region verunsichert.
Angst und Unsicherheitsgefühl haben sich in der grünen Vorzeigestadt eingenistet. Dann am Wochenende der Durchbruch der Ermittler im Fall der getöteten Maria L.: Die Polizei geht davon aus, dass ein als minderjährig eingetragener Afghane die Medizinstudentin vergewaltigt und getötet hat, als sie auf einem beliebten Fahrradweg unterwegs war. Der mutmaßliche Täter ist verhaftet und schweigt bislang zu den Vorwürfen.
Scharf geführte Debatte
Doch statt Erleichterung über die Verhaftung breitet sich eine scharf geführte Debatte um den Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen aus - vor allem in den digitalen Netzwerken. Selbst die Bundesregierung meldete sich zu Wort, der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon absolviert einen Interview-Marathon. Doch mäßigende Stimmen und Differenzierungen haben es in der aufgekratzten Stimmung schwer, gehört zu werden.
Kamerateams bedrängen im katholischen Wohnheim der Getöteten die Studierenden. Die AfD organisiert auf dem Freiburger Münsterplatz eine "spontane Kundgebung" gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). 20 AfD-Aktivisten treffen auf mehr als 200 Gegendemonstranten. Im Netz werden Flüchtlingshelfer angefeindet und beleidigt.
Im Umfeld der Getöteten herrscht Entsetzen darüber, dass das grausame Tötungsdelikt zur Stimmungsmache gegen Flüchtlinge missbraucht wird. "Die enorme mediale Aufmerksamkeit schürt den Hass und die Instrumentalisierung dieses Verbrechens noch weiter an", sagt Jörg Winkler, der die katholische Freiburger Studentengemeinde leitet, zu der die Getötete gehörte.
Studierende engagierte sich in Flüchtlingshilfe
Studierende, die sich wie Maria L. in einer Initiative für Flüchtlinge engagierten, würden nun über Facebook beschimpft: Von "Ironie des Schicksals" ist die Rede, weil ausgerechnet ein Flüchtling die Flüchtlingshelferin ermordet habe - und viele Nutzer formulieren drastischer. "Wir müssen diesen Beschimpfungen klar entgegentreten", so Winkler. Und Studentenpfarrer Bruno Hünerfeld kritisiert: Wer so argumentiere, wolle Opfer letztlich zu Tätern machen.
Als bitter empfindet es der Pfarrer, wenn nun versucht wird, das Verbrechen für flüchtlingsfeindliche Politik zu benutzen: "Der Tod Marias ändert doch nichts an unserer christlichen Grundhaltung, dass wir Schutzbedürftige, die zu uns fliehen, aufnehmen müssen."
Im Wohnheim der Getöteten wünschen sie sich vor allem mehr Ruhe, damit die Begleitung der Trauernden weiter gehen kann. In der Hauskapelle ist ein Foto der jungen Frau aufgestellt. Seelsorger und eine Psychologin begleiten Marias Freundinnen in Einzelgesprächen.
"Das macht ein katholisches Wohnheim aus. Unsere Hilfsangebote haben funktioniert, auch wenn wir sehen, dass einige Studierende langsam am Ende ihrer Kräfte sind", sagt Heimleiter Andreas Braun.
Nach der Trauerfeier in der benachbarten Gemeindekirche hat die Hausgemeinschaft einen Apfelbaum zur Erinnerung an die Tote gepflanzt. "Um dieses Verbrechen und den Verlust zu bewältigen, braucht es noch sehr viel Zeit", sagt Gemeindeleiter Winkler.
Tötung kein Flüchtlingsthema
Sabine Triska, die für den Caritasverband im Erzbistum Freiburg die Betreuung minderjähriger Flüchtlinge organisiert, fürchtet, dass sich die ohnehin angespannte Stimmung im Blick auf junge Schutzsuchende verschärfen wird. "Die Tötung der Studentin ist kein Flüchtlingsthema, das ist ganz wichtig zu betonen. Und wir dürfen jetzt nicht zulassen, dass die aufgeregte Debatte von der Sachfrage ablenkt, wie wir junge Flüchtlinge bestmöglich begleiten und integrieren können", sagt Triska. "Gerade ringen wir mit der Politik um die künftige Finanzierung."
Nach den zwei Vergewaltigungen und Tötungsdelikten - in einem davon fehlt bislang weiterhin jede Spur - wird nun in Freiburg die Polizeipräsenz erhöht. Die grün-schwarze Landesregierung hat 25 zusätzliche Beamte für die Stadt zugesagt, die seit langem die landesweite Verbrechens-Statistik anführt. In den Worten von Oberbürgermeister Salomon: "Freiburg ist schlicht nicht das süddeutsche Bullerbü, für das wir gerne gehalten werden."