Verstorbener Bremer Dompastor hat sexuelle Übergriffe verübt

Kirche räumt Fehler ein

Im Missbrauchsskandal um den gestorbenen Bremer Domprediger Günter Abramzik sind weitere Betroffene bekanntgeworden. Der evangelische Geistliche soll gegenüber mindestens 17 Jungen sexuell übergriffig geworden sein.

Autor/in:
Michael Althaus
Blick auf Bremen / © Maykova Galina (shutterstock)

Das teilte das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung am Freitag mit. Die Opfer waren im Alter von 14 bis 18 Jahren. Zudem warf es der Bremischen Evangelischen Kirche und der Domgemeinde Versäumnisse vor. Die Kirchenleitung räumte Fehler ein. Das sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut hatte den Fall im Rahmen der kürzlich vorgestellten bundesweiten Studie zu sexualisierter Gewalt für die evangelische Kirche näher untersucht und veröffentlichte nun seinen Abschlussbericht.

Der 1926 geborene Abramzik war von 1958 bis 1992 Pastor am Bremer Sankt-Petri-Dom und galt als einflussreiche Persönlichkeit in der Hansestadt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt, als er 1968 bei den sogenannten Bremer Straßenbahn-Unruhen zwischen rebellierenden Studenten und Senat vermittelte. 2010 hatte sich erstmals ein Mann bei der Kirche gemeldet, der angab, von Abramzik sexuell missbraucht worden zu sein.

Fall Abramzik zu keiner Zeit aufgearbeitet worden

Entgegen der bisherigen Darstellung der Kirche sei der Fall des 1992 verstorbenen Abramzik zu keiner Zeit aufgearbeitet worden, erklärte das Institut. Stattdessen sei die Aufarbeitung über Jahre verschleppt und verzögert worden. Der Betroffene, der sich 2010 gemeldet hatte, habe zwar den Umgang der Institution mit ihm als respektvoll empfunden, so die Forscher. Aber die Kirche habe weder die Öffentlichkeit informiert noch versucht, weitere Betroffene zu finden. Dies sei erst 2022 geschehen, nachdem Medien über den Fall berichtet hatten. Damals hatte die Kirche erklärt, sie sehe keine Versäumnisse in dem Fall.

Nun räumte Schriftführer Bernd Kuschnerus ein: "Wir haben trotz unseres obersten Ziels, immer an der Seite der Betroffenen zu stehen, in der Vergangenheit Fehler gemacht und bedauern dies zutiefst." Die vorliegenden Ergebnisse ermöglichten es, weitere Maßnahmen für die Aufarbeitung in die Wege zu leiten, erklärte er auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Bei allen bislang bekannten Betroffenen handelt es sich dem Institut zufolge vorwiegend um Konfirmanden und Schüler einer Philosophie-AG eines Gymnasiums, die von Abramzik geleitet wurde. Ein Großteil der Taten sei in den 1970er Jahren verübt worden.  

Mitverantwortung der Kirchenleitungen in den Blick nehmen

Die Forscher empfahlen der Bremischen Evangelischen Kirche eine weitere Aufarbeitung. Im Fall Abramzik müsse die Mitverantwortung der damaligen Kirchenleitungen in den Blick genommen werden. Darüber rieten sie, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche allgemein wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Dazu müsse sie zunächst weitere Betroffene aufrufen, sich zu melden.

Die Bremische Evangelische Kirche ist eine der kleinsten Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ihr gehören rund 160.000 Mitglieder in 61 Kirchengemeinden an. 

Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche

Die Zahl der Missbrauchsopfer in der evangelischen Kirche und Diakonie ist viel höher als bislang angenommen. Laut einer Studie sind seit 1946 in Deutschland nach einer Hochrechnung 9.355 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht worden. Die Zahl der Beschuldigten liegt bei 3.497. Rund ein Drittel davon seien Pfarrpersonen, also Pfarrer oder Vikare. Bislang ging die evangelische Kirche von rund 900 Missbrauchsopfern aus. Die Forum-Studie wurde von einem unabhängigen Forscherteam erarbeitet und in Hannover veröffentlicht.

Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr (dpa)
Gedruckte Ausgaben der Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche liegen auf einem Tisch / © Sarah Knorr ( dpa )
Quelle:
KNA