Vertreter aus Kirche und Politik mahnen zu Zusammenhalt

"Das Begehren nach einer besseren Gesellschaft"

"Wir lassen uns unsere Kultur der Weltoffenheit nicht zerstören": Vor dem Tag der Deutschen Einheit am Mittwoch fordern Vertreter aus Politik und Gesellschaft einen differenzierten Umgang mit den Lebenserfahrungen der Menschen in Ost und West.

"Unsere Alternative heisst Solidarität" steht auf einem Transparent bei einer Kundgebung gegen rechte Gewalt / © Bodo Marks (dpa)
"Unsere Alternative heisst Solidarität" steht auf einem Transparent bei einer Kundgebung gegen rechte Gewalt / © Bodo Marks ( dpa )

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich in der "Augsburger Allgemeinen " (Montag) betroffen über den Befund, dass sich viele Ostdeutsche abgehängt fühlten. Angesichts von Rechtspopulismus und rechtsextremen Ausschreitungen mahnte er zu gesellschaftlichem Zusammenhalt. "Wir lassen uns unsere Kultur der Weltoffenheit nicht zerstören."

Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann erklärte in Erfurt: "Angesichts der vermehrten Versuche von Krawallmachern, den sozialen Frieden zu stören, braucht es unsere klaren Gegenstimmen und unseren aktiven Einsatz für ehrliche und offene Auseinandersetzungen und friedensstiftende Lösungen."

"Voneinander lernen und voll Interesse zuhören"

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte eine unterschiedliche Wahrnehmung von rechtsradikalen Ausschreitungen in Ost- und Westdeutschland. "Wir haben ein Problem mit rechtem Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft in Ost und West", sagte sie der "Mitteldeutschen Zeitung" (Montag). "Das hat im Westen andere Traditionen als im Osten. Aber ich sage ganz offen: Chemnitz und Köthen auf der einen Seite und Dortmund auf der anderen Seite sind medial sehr unterschiedlich wahrgenommen worden." In Dortmund gibt es seit Jahren eine Neonazi-Szene mit Verbindungen in die gesamte Bundesrepublik.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sprach sich für mehr gleichberechtigten Austausch zwischen Ost- und Westdeutschen aus.

"Gut wäre, wenn das Selbstverständliche, das in den 90er-Jahren zu oft hinten runter fiel, nachgeholt wird: voneinander zu lernen und voll Interesse den jeweils anderen Erfahrungen zuzuhören", sagte sie der "Berliner Zeitung" (Montag). "Beginnen könnte es bei den unterschiedlichen Zugängen zum Thema 50 Jahre 1968: Die einen verbinden damit den Prager Frühling, die anderen die Kulturrevolution im Westen. Beides hat unterschiedliche Erscheinungsformen und doch auch Gemeinsames: das Begehren nach einer besseren Gesellschaft als die existierende."

"Ein Programm für alle Regionen"

Im "Tagesspiegel am Sonntag" hatte die stellvertretende SPD-Chefin Manuela Schwesig betont, die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse müsse Ziel der Politik bleiben. Es gehe nicht länger an, dass die Ostdeutschen länger arbeiteten als die Westdeutschen, aber 15 Prozent weniger Gehalt erhielten. "Das kann ich fast 30 Jahre nach der Deutschen Einheit niemandem erklären."

Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag), dass sich die Unterschiede nur mit "aktiver Industriepolitik und massiven Investitionen in die öffentliche Infrastruktur" überwinden ließen. Ein "reines Konjunkturpogramm Ost" wäre allerdings ein Fehler, so Wagenknecht. "Wir brauchen ein Programm für alle Regionen, die Probleme mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung haben."


Quelle:
KNA