Am Freitagabend nominierte der CSU-Ortsverband Neufahrn Ozan Iyibas (37) einstimmig zu seinem Kandidaten für den Bürgermeisterposten. Nachdem ein muslimischer Bewerber unlängst in Wallerstein an örtlichen Parteiwiderständen gescheitert war, hat es nun in der Münchner Vorortgemeinde geklappt, daher die schon im Vorfeld beachtliche bundesweite Aufmerksamkeit. Tatsächlich haben beide Fälle eher wenig miteinander zu tun - und um Religion geht es auch nur am Rande.
Kann ein Muslim in Bayern Bürgermeister werden, noch dazu auf dem Ticket der CSU? Diese Debatte elektrisierte in den vergangenen Tagen die Medien und auch Parteien bis nach Berlin. Die von ihrem nunmehr unangefochtenen Chef Markus Söder auf einen strammen Modernisierungskurs eingeschworenen Christsozialen könnten eine Erfolgsgeschichte dieser Art gut gebrauchen. An Iyibas' Beispiel soll sich zeigen, was in der CSU heute alles möglich ist, sagte deren Generalsekretär Markus Blume und sicherte dem lange zaudernden Bewerber volle Unterstützung zu.
"Säkular und liberal"
Der Bankkaufmann ist indes ein anderes Kaliber als Sener Sahin im schwäbischen Wallerstein - er ist kein politischer Quereinsteiger, sondern eingeschriebenes CSU-Mitglied seit 2007. Seit 2014 gehört er dem Neufahrner Gemeinderat an. Er sei klug, geschmeidig und habe auch einen gewissen Ehrgeiz, sagt ein Alteingesessener anerkennend.
Anders als beim parteilosen Unternehmer Sahin, der öffentlich zu seinem muslimischen Glauben steht, fallen Iyibas' Selbstauskünfte zur Gretchenfrage beweglich aus. Seine Eltern sind Aleviten aus der Türkei. Der Vater kam als Gastarbeiter und blieb. Ozan wurde in Freising geboren. In einem Zeitungsinterview erklärte der CSU-Politiker unmittelbar vor seiner Nominierung, er sei "weiter Alevit", seinen Glauben umschrieb er als "säkular und liberal". Gerne gehe er in die katholische Kirche, "weil es mir Kraft gibt".
Politischer Wettstreit
Von den zuständigen örtlichen Instanzen wird dieses Bekenntnis nicht bestätigt. Dem katholischen Pfarrer ist Iyibas als Kirchgänger bisher nicht aufgefallen. Und die alevitische Gemeinde verweigert auf Nachfrage Auskünfte mit dem Hinweis, für sie seien Glaubensangelegenheiten "reine Privatsache". Wie häufig in der Migrationsdebatte lässt sich kaum unterscheiden, was Zuschreibung und was echte Überzeugung ist. Bei Äußerungen im politischen Wettstreit muss stets noch das Kalkül eingepreist werden, was Chancen verbessert - oder auch, was schadet.
Für die CSU ist die 20.000 Einwohner zählende Gemeinde zwischen Freising und München ein schwieriges Pflaster. Seit 40 Jahren hat sie dort keinen Bürgermeister mehr gestellt. Ein Grund ist, dass sich dort das älteste und hartnäckigste Widerstandsnest gegen den (Aus-)Bau des Franz-Josef-Strauß-Flughafens befindet. Seit sechs Jahren regiert ein Grüner die Kommune, in der der Ausländeranteil höher ist als in Berlin-Kreuzberg.
Migration und Integration
Der Amtsinhaber könnte katholischer kaum sein. Franz Heilmeier (56) ist Theologe und war als Pastoralreferent lange in der Jugendarbeit, später als Gemeindeberater und Strategieentwickler im Erzbischöflichen Ordinariat in München tätig. Bis heute hält er Gottesdienste. 2014 siegte er mit einem Stimmenanteil von 59 Prozent. Heilmeier tritt erneut an.
Iyibas leitet den jüngsten Landesarbeitskreis der CSU zu Migration und Integration. Dadurch genießt er schon länger das Wohlwollen der Parteispitze. Doch im Neufahrner Vereinsleben ist der bisherige Leiter der Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse in Freising wenig verankert. Bis zum Urnengang hat er nur noch acht Wochen Zeit. Nicht die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wahlkampf.
Vielleicht aber sorgen die Neufahrner Kommunalwahlen doch wieder für überregionale Schlagzeilen wie 1964. Damals brachten sie Bayerns erste Bürgermeisterin ins Amt, Renate Winkelmann von der Freien Wählergemeinschaft. Auch sie hatte einen Migrationshintergrund: Sie kam aus dem hessischen Darmstadt.