Sie faulenzen, bestellen Pizza und skypen mit ihren Freunden: Verschiedene Szenen werden im Altarraum auf die Bühne gebracht - der Beginn der Vigil. Auch Diözesanjugendseelsorger Tobias Schwaderlapp gibt zu: "Da habe ich mich in fast allen Szenen wiedergefunden." Es ist der Alltag, mit dem dieser Gottesdienst beginnt, die alltägliche Trägheit, die Bequemlichkeit nach der Schule oder Arbeit.
Doch Jesus Christus ruft die Gläubigen auf, diese Trägheit zu überwinden, sagt Tobias Schwaderlapp. "Alles Große ist dadurch entstanden, dass jemand aufgestanden ist." So schlägt er den Bogen zum titelgebenden Auftrag des Altenberger Lichts: "Runter vom Sofa".
Ein besinnlicher Impuls
Nach diesem aufrüttelndem Impuls wird es wieder besinnlich im Altenberger Dom. Unter den in dunkelrot angestrahlten gotischen Gewölbestreben strömt Weihrauch durch den Raum: Auf dem Altar steht die Monstranz zur Anbetung des Leibes Christi, die Jugendlichen verharren in tiefer, demütiger Stille.
Dann das Licht: Die kleinen glühenden Punkte der Kerzen breiten sich durch den ganzen Raum aus, bis ein flackendes Lichtermeer durch den Raum wabert. Ein leuchtendes Zeichen der Jugendlichen, mit dem sie langsam, nach und nach den Dom wieder verlassen, geistig gestärkt und mit einer klaren Botschaft im Kopf: "Runter vom Sofa!"
"Aufstehen auch ganz praktisch"
Nach vier Jahren Umbau- und Renovierungsarbeiten konnte in diesem Jahr auch wieder die traditionelle Übernachtung in den 1. Mai mit der Vigil am Abend angeboten werden. Für die Schlafsäcke von rund 500 Jugendlichen, die am Sonntagnachmittag anreisten, waren großflächige Räume und ein Zeltplatz freigegeben worden. Und bevor die Vigil um 23 Uhr alle im Altenberger Dom vereinte, setzten sich die Teilnehmer in verschiedenen Workshops, Konzerten und Mitmach-Aktionen mit dem Motto des Altenberger Lichts auseinander: "Runter vom Sofa. Jesus ist der Herr des Risikos."
Auf einem im Dom aufgebauten, roten Sofa konnte gleich Platz genommen werden, um zu testen, wie lange es dauert, bis man selbst den Impuls faßt, aufzustehen. Zum bequemen Sitzen lädt es gezielt nicht ein, da es schräg auf einem Holzkreuz, dem Kreuz Jesu, steht. Und genau dieser Aufbau ist bezeichnend für das gesamte Auftaktprogramm in Altenberg. Gemäß Papst Franziskus ist eben die Freundschaft mit Jesus kein Sonntagspaziergang. Wer als Christin oder Christ lebt, soll weder gleichgültig noch ignorant durch das Leben gehen. Und das bedeutet auch: nicht immer ist alles bequem. Im Gegenteil. Das Motto des Altenberger Lichts will sagen: Steh auf, komm in Bewegung und setz dich ein!
Zwischen Tanz und Diskussion
In Bewegung kommen, ist am Freitagabend in Altenberg eigentlich ganz einfach. Beim Hip Hop-"Dance4Fans"-Kurs kommt man ganz schön ins Schwitzen. Aber auch über das Gelände flitzen viele kleine Gruppen und lösen entweder die Aufgaben ihrer eigenen Messdienergruppe oder die des Antirassistischen Rundgangs. Miteinander diskutieren und Dinge in Frage zu stellen ist ausdrücklich erwünscht. Oder in 60 Minuten den Schlüssel für den Weg nach draußen oder aber für den Tresor zu finden.
Im Escape Room stauen sich Süßigkeiten, Getränkeflaschen und jede Menge Bücher rund um einen Tresor. Alles, jedes kleinste Detail, könnte ein Hinweis auf die Zahlenkombination sein. Martin, Max, Maria, Simon und Lukas, alle Leiter einer Messdienergruppe aus Düsseldorf, versuchen einen Buchstabencode zu entziffern. "Schaut mal nach 179 oder 791", sagt der 19jährige Max an. Die anderen suchen den gesamten Raum ab. Einer schaut in der Bibel nach. Der andere probiert damit das Vorhängeschloß an einer großen Metalltruhe zu öffnen. Nichts. Kein neuer Hinweis lässt sich finden.
Stefan Schmitz, Jugendreferent in der Katholischen Jugendagentur Bonn, schaut kurz vorbei und will die Motivation der fünf Spieler reizen. "Ihr habt ja ganz viele Hinweise noch gar nicht gefunden." Also wird alles noch einmal auf den Kopf gestellt. Dann können die Freunde das Schloß einer Bauchtasche öffnen und erhalten so eine UV-Taschenlampe. Diese bringt den erhofften nächsten Hinweis. Denn mit ihr läßt sich unsichtbare Schrift wieder sichtbar machen. Fünf Minuten später ist der Tresor auf. Der Gewinn für alle: eine Karte mit der Botschaft "Jesus – dein Türöffner ins Leben" Weniger pathetisch hätte es für die Fünf auch sein können. Ihnen ging es vor allem darum, mal einen Escape Room zu spielen. "Ich wollte schon immer mal in Düsseldorf in den Escape Room gehen, deshalb war es cool, dass es hier einen gibt", meint die 20-jährige Maria, bevor die Gruppe auch schon zum nächsten Programmpunkt weiterzieht.
Überall ein politischer Hintergrund
Mehr als zehn Aktionen warten noch auf sie. Und dabei läßt sich in den verschiedensten Stationen auf dem Gelände immer der politische Hintergrund, die Basis des Altenberger Lichts, erkennen. Ein großes weißes Plakat im Torbogen zum Innenhof ist am Ende der Workshops kunterbunt beschrieben. Es geht um die Wahl. Die politische Wahl, die jeder hat. In einer Demokratie. Die Jugendlichen sollen selbst in Worte faßen, wieso wählen wichtig ist. "Dein Kreuz zählt" oder „Wähl dich frei, also sei dabei“ oder auch "Himmel, die Welt ist getroffen". Treffen, tun sich die Jugendlichen ja schon mal in Altenberg. Aus Irland, Polen und ganz Deutschland sind sie angereist, um ein Licht abzuholen. Das Licht der Versöhnung und des Friedens in Europa - damals, zur Entstehung des Altenberger Lichts nach dem Zweiten Weltkrieg, wie heute.