DOMRADIO.DE: Sind die Tiere zu Ihnen gekommen oder Sie zu den Tieren?
Eva Meisel (Theologin und Vikarin der evangelischen Versöhnungs-Kirchengemeinde Rheda-Wiedenbrück): Wir haben am Anfang des Gottesdienstes zu den Menschen gesagt, sucht euch mit eurem Tier einen Platz, an dem ihr euch wohlfühlt.
Die Menschen saßen ganz verteilt auf der Kirchwiese und wir sind am Ende des Gottesdienstes jeweils zu ihnen hingegangen, um sie zu segnen, damit es nicht zu einem Tierauflauf irgendwo in der Mitte kommt und alle sich wohlfühlen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, damit Hunde und Katzen sich nicht gegenseitig anfauchen und bellen.
Meisel: Wir hatten tatsächlich nur Hunde da. Es war in der Hinsicht ein sehr einheitlicher Gottesdienst. Aber auch da gab es schon Momente, in denen man gemerkt hat, dass es gut ist, wenn jeder seinen Platz hat.
DOMRADIO.DE: Theoretisch wäre es aber auch möglich gewesen, mit Hühnern vorbeizukommen?
Meisel: Mit Hühnern, mit Pferden, mit einem Goldfischglas – das wäre alles möglich gewesen.
DOMRADIO.DE: Wieso ist Ihnen diese Tiersegnung so wichtig? Das war ja nicht Ihre erste, Sie haben sogar schon einmal auf einem Pferdehof Tiere und Menschen gesegnet.
Meisel: Beziehungen tragen Menschen und Tiere durchs Leben. Es sind Beziehungen, die uns ausmachen und die Beziehungen zu Tieren werden, glaube ich, immer wichtiger.
Vor allen Dingen für Menschen, die einsam sind. Also bei älteren Menschen oder jüngeren Menschen, die keine Beziehungen mit Menschen haben, sind die Beziehungen zu Tieren das, was trägt.
Deshalb ist es wichtig, auch diese Beziehungen zu segnen und zu sagen, wir wünschen euch alles Gute für euren gemeinsamen Weg.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn für Tiersegnungen so etwas wie eine Grundlage in der Bibel?
Meisel: Es gibt viele Stellen in der Bibel, die Menschen und Tiere verbinden.
Sei es Noah, der alle Tiere in die Arche packt und sagt, die Tiere müssen auch beschützt werden, weil sie Geschöpfe Gottes sind – damit startet ja die Bibel – oder der Tierfrieden (der im Buch Jesaja geschilderte messianische Tierfrieden meint ein friedliches Zusammenleben von Raub- und Beutetieren nach dem Kommen des Reiches Christi, Anm. d. Red.).
An diesen Stellen merkt man, dass Gott auch gut um diese Beziehung zwischen Mensch und Tier Bescheid weiß. Deshalb können wir sie so herausstellen und segnen.
DOMRADIO.DE: Ihnen war es besonders wichtig, das Ganze individuell zu gestaltet. Es gab einen Gottesdienst und danach dann einzelne Segnungen.
Meisel: Genau. Wir haben allen, die das wollten, angeboten, sich einzeln segnen zu lassen. Das haben alle Gottesdienstbesucher auch in Anspruch genommen.
Das heißt, wir sind hingegangen und haben jedem individuell einen Segen zugesprochen. Auch den Menschen, die ohne Tier im Gottesdienst waren.
DOMRADIO.DE: Die Katholiken sind ja ganz groß im Segnen. Es werden auch Motorräder gesegnet, Autos und sogar Panzer. Wie hält es die evangelische Kirche eigentlich mit Segnungen?
Meisel: Wir segnen tatsächlich nur Menschen oder Beziehungen von Menschen. Deswegen wird in der evangelischen Kirche tendenziell weniger gesegnet.
Aber ich würde sagen, es wird immer mehr, vor allen Dingen auch anlassbezogen. Im Leben der Menschen wird deutlich mehr gesegnet als früher.
Das Interview führte Tobias Fricke.