Viktor Eichner ist seit einem Jahr Stimme des Judentums beim Vatikan

"Der 7. Oktober hat viele meiner Projekte zerschlagen"

Vor genau einem Jahr eröffnete Viktor Eichner sein Büro in Rom. Der 7. Oktober erschwerte seine Arbeit erheblich. Dennoch bleibt der Verbindungsmann zwischen dem Jüdischem Weltkongress und dem Vatikan optimistisch.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Über den Dächern des Vatikans / © Angelo Cordeschi (shutterstock)
Über den Dächern des Vatikans / © Angelo Cordeschi ( shutterstock )
Viktor Eichner, Vertreter des Jüdischen Weltkongresses (WJC) beim Heiligen Stuhl in Rom / © Sabine Kleyboldt (KNA)
Viktor Eichner, Vertreter des Jüdischen Weltkongresses (WJC) beim Heiligen Stuhl in Rom / © Sabine Kleyboldt ( KNA )

An Tag elf nach dem Angriff der Hamas auf Israel startete Viktor Eichner als Vertreter des weltweiten Judentums beim Vatikan; nicht gerade der ideale Zeitpunkt. "Der 7. Oktober hat viele meiner Projekte zerschlagen", so der 31-jährige Ungar. Dennoch laufen im Büro des Jüdischen Weltkongresses (WJC), wenige Gehminuten vom Petersdom entfernt, seit 18. Oktober 2023 manche Fäden zusammen, nicht nur mit Blick auf die Beziehungen zur katholischen Kirche.

"Die Katholiken haben ein tiefes Verständnis von der jüdischen Identität und Religion", erläutert Eichner, der kurz nach seiner Büroeröffnung von Papst Franziskus empfangen wurde. "Das wollen wir nutzen, um weitere stabile Partnerschaften zu knüpfen." Neben der Zusammenarbeit mit den entsprechenden Kommissionen des Heiligen Stuhls, die seit fast 60 Jahren existieren, sucht Eichner Kontakt zur nächsten Generation katholischer Multiplikatoren: junge Priester, Ordensleute, Seminaristen und Studierende. Gerade jetzt während der hohen jüdischen Feiertage würden besonders viele Seminare und Infoveranstaltungen angeboten.

Das Positive des Judentums bekannter machen

"Aber ich will auch einfach das Positive des Judentums bekannter machen", hält Eichner fest. Sehr erfolgreich seien etwa die sogenannten "Model Shabat Dinners", die er zusammen mit seiner Frau, einer jungen Modedesignerin, zu Hause organisiert: "Die Gäste lernen unsere Traditionen am Schabbat kennen - koschere Speisen, Kerzen, Gebete", sagt Eichner, der auch Englisch, Italienisch und Hebräisch spricht. "Dann kommt man wunderbar ins Gespräch über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und viele andere Themen."

Natürlich geht es dabei immer wieder um den Krieg, so der studierte Politikwissenschaftler. "Die jüdische Gemeinschaft weltweit ist tief verunsichert und getroffen, auch durch den überall wachsenden Antisemitismus infolge des Krieges."

Gelbe Schleife erinnert an Geiseln

Mit der kleinen gelben Schleife am Revers will Eichner an die israelischen Geiseln der Hamas erinnern - "aber nicht nur", betont der 31-Jährige. "Denn es sind ja auch Muslime und Christen betroffen oder auch Menschen aus Afrika, die in den Kibbuzim arbeiten: So viele leiden durch den Krieg!" Genau wie der Vatikan unterstütze der Jüdische Weltkongress die Zweistaatenlösung für Israelis und Palästinenser - aktuell allerdings utopische Zukunftsmusik.

Pläne für 2025

Für 2025 hat Eichner auch den 60. Jahrestag von "Nostra Aetate" im Auge: Mit dem Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) stellte die katholische Kirche ihr jahrhundertelang belastetes Verhältnis zum Judentum auf eine neue Basis. Daraus sollen weiter konkrete interreligiöse Initiativen wachsen, so Eichner.

Unterstützt wird er dabei vom päpstlichen "Ökumeneminister" Kardinal Kurt Koch und seinem Team, vor allem Pater Norbert Hofmann, der für den Dialog mit dem Judentum zuständig ist. "Die Institutionen sind wichtig, aber im Moment geschieht auf offizieller Ebene nicht viel", sagt Viktor Eichner. "Umso bedeutsamer ist der Austausch über persönliche Beziehungen. Und der funktioniert zum Glück."

Quelle:
KNA