Sie gehört nicht gerade zu den Lieblingsfarben der Deutschen. Glaubt man einer Umfrage der Farben- und Lackindustrie aus dem Jahr 2016, nennen gerade mal sechs Prozent der Bundesbürger Lila/Violett ihre Lieblingsfarbe. Damit liegt Lila auf der Rangliste sogar noch hinter Grau und Braun. Spitzenreiter Blau (40 Prozent) und Rot (19 Prozent) sind unerreichbar vorn.
Doch das könnte sich ändern: Denn jetzt hat die Firma Pantone, internationaler Marktführer im Bereich der Farbkommunikation für die Grafik- und Designbranche, Textil- und Kunststoffindustrie, Violett zur Farbe des Jahres 2018 gekürt. Violett stehe, zumal in der Power-Version "ultra", für "visionäres Denken, für den Kosmos und das Geheimnisvolle an dem, was uns die Zukunft bringen wird", so lautet in blumigen Worten die Begründung.
Zeichen der Unangepasstheit
Dunkle Lilatöne seien schon seit langer Zeit ein Zeichen der Gegenkultur, der Unangepasstheit und der künstlerischen Brillanz, so die Farbexperten. "Mit Prince, David Bowie und Jimi Hendrix rückten Ikonen der Musikgeschichte verschiedene Töne von Ultraviolett als persönlichen Ausdruck von Individualität ins Zentrum der westlichen Popkultur."
Mystisch anmutende Sonnenuntergänge, duftende Lavendelfelder, zart blühender Flieder: In der Natur ist die Farbe Violett etwas Seltenes, Besonderes. Violette Pflanzen wie Veilchen (Englisch und Französisch violet), Flieder, Lavendel und Salbei bestechen mit einem überaus angenehmen Duft. Der Begriff Lila, der ja ein aufgehelltes Violett beschreibt, geht auf die Fliederpflanze zurück, die im Arabischen Lilak, im Französischen Lilas und im Englischen Lilac heißt. Violett/Purpur war über Jahrhunderte eine der kostbarsten Farben überhaupt, wie das Online-Portal farbimpulse.de berichtet: Die Herstellung des Farbstoffs aus Purpurschnecken war so aufwendig und teuer, dass nur die Reichsten solche Kleidung tragen konnten.
Farbe von Senatoren
Bei den Römern war die Farbe Senatoren oder anderen ranghöchsten Vertretern des Reiches vorbehalten. Bis heute sind Violett und Purpur zentrale Farben der Kirchen: Katholische Bischöfe sind an violetter Kopfbedeckung, violettem Gürtel und den entsprechenden Knöpfen erkennbar.
Violett hat auch eine spirituelle Bedeutung, wie der Farbpsychologe Harald Braem in seinem Buch "Die Macht der Farben" berichtet: Es verbindet das Rot als Symbol der Welt des Körpers mit dem Blau, das für die Welt des Geistes und des Himmels steht. Violett ist deshalb auch die Farbe der Buße und der Trauer: In der Advents- und Fastenzeit und bei Bußgottesdiensten tragen Geistliche violette Gewänder. Auch bei Trauergottesdiensten wird violette - oder alternativ schwarze - Priesterkleidung getragen.
Farbe von Illustratoren
Schon im Mittelalter ist die Wirkkraft der Farbe von Illustratoren genutzt worden. So zeigt etwa der "Stuttgarter Psalter", eine kostbare Handschrift aus dem neunten Jahrhundert, Jesus mit violetten Gewändern, um seine Mittlerfunktion zwischen Mensch und Gott farbsymbolisch zu unterstreichen. "Auch das Geschlechtliche von Rot (männlich) und Blau (weiblich) wird im Violett aufgehoben", so Braem. Als Grenzgänger außerhalb des genormten Rollenverhaltens wählten Homosexuelle und Transvestiten in manchen Ländern daher bewusst Violett als Erkennungsfarbe.
Lila ist nicht zuletzt auch die Farbe der Frauenbewegung, die sich ab den späten 1960er-Jahren in Deutschland formierte: Legendär ist das Klischee von der lila Latzhose, die die Grenze zur Männerwelt auflöste und Aufbruch signalisierte. In dem Roman von Alice Walker "Die Farbe Lila" (und in der gleichnamigen Verfilmung) geben die violetten Blumenfelder der misshandelten Protagonistin Kraft; sie stehen für Aufbruch und Selbstbefreiung.
Auf andere Künstler wirkte Violett allerdings eher bedrohlich; gerade in seinen dunkleren, schwereren Schattierungen. So beschrieb der Expressionist Wassily Kandinsky Violett "als abgekühltes Rot, im physischen und im psychischen Sinne. Es hat deshalb etwas Krankhaftes, Erlöschtes, etwas Trauriges an sich." Und Goethe assoziierte in seiner Farbenlehre mit Lila die "Schrecken des Weltuntergangs".