KNA: Herr Minister Rösler, erstmals ist der Parteivorsitzende der FDP auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Passt das zusammen?
Philipp Rösler: Das passt gut zusammen und ist kein Problem, denn ich kann beides gut voneinander trennen. Mein Glaube wirkt sich nicht direkt auf die Tagespolitik aus. Aber er gehört zu meinem inneren Wertekompass, auch wenn ich ihn nicht wie eine Monstranz vor mir her trage.
KNA: Hat das zu Kritik in der Partei geführt?
Rösler: Nein. Wir haben ja eine klare Grundposition: Die Trennung von Kirche und Staat. Das heißt aber lediglich, die Kirche soll keinen direkten Einfluss auf das politische Geschehen ausüben. Als gesellschaftliche Kraft spielt sie natürlich eine wichtige Rolle.
KNA: Die FDP tritt für eine Gleichbehandlung von Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften ein. Ist das bisherige Verhältnis von Kirche und Staat damit ein Auslaufmodell?
Rösler: Ich glaube nicht. Wir stellen es auch nicht in Frage. Ich würde es eher im Sinne der Grundidee der Toleranz sehen: Es geht nicht um die Abschaffung von Glauben, sondern um das Miteinander der verschiedenen Überzeugungen.
KNA: Sie treten für eine umfassende Gleichstellung des Islam ein. Wo sehen Sie hier besonderen Handlungsbedarf?
Rösler: Das Thema ist uns wichtig. Die Liberalen waren hier Vorreiter. Ganz aktuell geht es um den flächendeckenden Religionsunterricht, wohl wissend, dass dies viel schwieriger zu organisieren ist als der christliche Religionsunterricht. Denn im Islam gibt es niemanden, der allgemeinverbindlich die Lehre vorgibt. Das Ziel aber bleibt, es ist Teil liberaler Bildungspolitik und des Bemühens um Integration und Toleranz.
KNA: Die Liberalen sehen sich besonders den Menschenrechten verpflichtet. Wo ist die größte Herausforderung?
Rösler: Hierzulande muss man, gerade auch aktuell, darauf hinweisen, dass Bürgerrechte für den einzelnen da sind. Sie sollen auch verhindern, dass ein Staat übermächtig wird.
KNA: Und international?
Rösler: Ist es wichtig, das Thema hochzuhalten. Auch in meiner Funktion als Wirtschaftsminister. Nehmen wir Vietnam: Wir haben großes Interesse an einer wirtschaftspolitischen Partnerschaft mit diesem Land. Trotzdem muss man etwa die Rechte der katholischen Kirche ansprechen. Oder in der arabischen Welt die Rechte der Christen allgemein. Und bei meinem jüngsten Türkei-Besuch habe ich zwei Stunden lang mit allen Religionsgemeinschaften über ihre Lage gesprochen.
KNA: Europa soll Zufluchtsort für politisch Verfolgte werden, heißt es im FDP-Wahlprogramm. Was muss sich dazu ändern?
Rösler: Wir brauchen eine Willkommenskultur. Das betrifft auch Flüchtlinge und Verfolgte. Das entspricht unseren gemeinsamen europäischen Werten. Im Übrigen gilt das auch für die Zuwanderung von Fachkräften. Die brauchen wir schon aus demografischen Gründen.
KNA: Welche weiteren Antworten braucht es auf den demografischen Wandel?
Rösler: Viel hängt von der Wertschätzung der Familie ab. Das geht weit über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinaus. Sicher ist der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze dringend nötig und erleichtert die Entscheidung für Kinder. Aber das Glück, zu Kindern Ja zu sagen, hängt nicht nur davon ab. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zählt zunehmend auch das Thema Pflege.
KNA: Die evangelische Kirche streitet derzeit über den Wert von Ehe und Familie. Für die FDP sind alle Lebensgemeinschaften "gleich wertvoll". Ist damit der besondere grundrechtliche Schutz der Ehe hinfällig?
Rösler: Nein. Die Anerkennung eingetragener Lebenspartnerschaften stellt die anderen ja nicht schlechter. Aber wer bisher Nachteile hatte, erhält nun mehr Rechte. Deshalb wollen wir auch das Ehegattensplitting für alle Partnerschaften.
KNA: Die Liberalen wollen neben der Ehe und Partnerschaft eine neue Institution einführen: "Die Verantwortungsgemeinschaft". An wen richtet sich das?
Rösler: Es richtet sich an Menschen, die bereit sind, füreinander Verantwortung zu übernehmen, wie es so schön heißt: "in guten wie in schlechten Zeiten". Das kann mal der eine, mal der andere sein oder vielleicht sind es dann auch Dritte, wenn man etwa gemeinsam Kinder groß zieht. Man sollte hier die Vielfalt deutlich machen. Wir sagen: Wer wen wann und zu welcher Zeit liebt, ist nicht das Entscheidende, Hauptsache, man liebt überhaupt jemanden und ist bereit, für einen anderen Verantwortung zu übernehmen. Das soll darin auch zum Ausdruck kommen.
KNA: In der Reproduktionsmedizin treten die Liberalen für die bislang verbotene Eizellspende von Frauen ein. Besteht nicht die Gefahr einer Verzweckung?
Rösler: Der Beschluss war für uns durchaus schwierig. Am Ende sagen wir, dass wir es unterstützen, weil es Leben ermöglicht.
KNA: Gilt das dann auch für die Leihmutterschaft?
Rösler: Soweit gehen wir nicht.
KNA: In dieser wie in anderen Fragen vertritt die FDP deutlich andere Positionen als die katholische Kirche. Gibt es für den Katholiken Rösler eine Schmerzgrenze?
Rösler: Man muss bei politischen Entscheidungen einen eigenen Wertekodex finden. Bisher ist es mir jedenfalls gut gelungen, bei der Bewertung von Argumenten Glaube, Verstand und Herz miteinander in Einklang zu bringen. Persönlich bin ich noch nie in einen inneren Konflikt geraten.
KNA: Was bedeutet der Glaube für Sie?
Rösler: Sehr viel! Er ist die Grundlage meines Wertegerüsts, aufgrund dessen ich auch ganz konkret tagespolitische Lösungen finde. Und er erlaubt mir, Gelassenheit zu lernen, dazu gehört in der Kirche die Demut. Für einen Politiker ist es gar nicht so schlecht, frühzeitig zu lernen, dass man sich selbst nicht so wichtig nehmen darf. Das gelingt mir allerdings nicht immer.
KNA: Wie vermitteln Sie den Glauben Ihren Kindern?
Rösler: Wir haben sehr früh damit begonnen. Sie sind getauft, das war uns wichtig, meiner Frau und mir. Jetzt sind beide in einem katholischen Kindergarten und wir haben sie an einer katholischen Schule angemeldet. Wir wollen ihnen die Werte und das katholische Kirchenjahr vermitteln und hoffen, dass sie es eines Tages auch schätzen.
KNA: Gehört dazu auch das tägliche Glaubensleben in der Familie?
Rösler: Das gehört dazu. Wenn es irgendwie machbar ist, erleben sie den gemeinsamen Kirchgang. Für das Gemeindeleben fehlt uns leider die Zeit. Aber wir wollen, dass sie wissen, was an Weihnachten, Pfingsten oder Ostern gefeiert wird.
Das Gespräch führte Christoph Scholz.