Margot Käßmann erntet scharfen Widerspruch für Äußerungen zu einem Zurückstecken der Älteren in der Corona-Krise.
Der Bremer Altbürgermeister Henning Scherf (SPD), die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, und der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert lehnten am Donnerstag einen "Deal" der Generationen entschieden ab, wie ihn die Theologin Käßmann ins Gespräch gebracht hatte.
Die frühere hannoversche Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende verteidigte ihre Position: Ihr sei es vor allem um die Interessen von Kindern gegangen. Auch zu der Bezeichnung der 60- bis 70-Jährigen als "Luxusgeneration" stehe sie.
Scherf: "Völlig verdreht"
Der 81 Jahre alte Scherf nannte einen "Deal" der Generationen "völlig verdreht" und warnte davor, Menschen verschiedenen Alters gegeneinander auszuspielen. Das sei "auf eine schreckliche Weise befremdlich". "Wir sind alle Kinder Gottes, alle schutzbedürftig und müssen in dieser Krise alle solidarisch aufeinander aufpassen", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er schätze Käßmann als kluge Frau: "Aber in diesem Punkt hat sie sich verrannt."
Die 78-Jährige frühere Bundesministerin und FDP-Politikerin Schwaetzer sagte dem epd, wenn Käßmann fordere, "die Alten sollen freiwillig auf Kontakte, also in der Konsequenz auch Besuche der eigenen Kinder verzichten, muss ich widersprechen: Das geht gegen die seelische Gesundheit."
Die 61 Jahre alte Käßmann hatte dem Straßenmagazin "Asphalt" gesagt: "Wenn ich wüsste, dass die Kleinen und Jüngeren wieder rauskönnen, wenn wir, die über Sechzigjährigen, die Risikogruppen, zu Hause blieben, wenn das der Deal wäre, dann würde ich mich darauf einlassen."
Die Älteren hätten ein gutes Leben gelebt und seien "mehrheitlich die Luxusgeneration, die es so gut hatte wie keine Generation vorher und keine danach". Deshalb sei es angesichts der Bedrohung durch Covid-19 jetzt an ihnen, zugunsten der Kinder zu verzichten.
Befremden beim Kinderschutzbund
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sagte dem epd: "Mich befremdet, wie Frau Käßmann auch, dass bei allen Lockerungsdebatten die Rechte von Kindern kaum eine Rolle spielen." Es werde viel zu wenig darüber diskutiert, wie Kinder zu ihrem verbrieften Recht auf Bildung kämen und wie Chancengleichheit unter Homeschooling-Bedingungen hergestellt werden könne. "Eine zwangsweise Isolierung älterer Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen ist aber der falsche Weg", sagte Hilgers.
Der Juso-Vorsitzende Kühnert sagte, der Vorschlag Käßmanns diskriminiere Ältere. Jüngere Menschen sollten nicht gegen ihre Eltern und Großeltern ausgespielt werden. Zudem vermittle der Vorstoß ein falsches Krankheitsbild, sagte der 30-Jährige dem epd, da auch junge Menschen an Covid-19 mit schweren Verläufen erkranken könnten.
Situation der Kinder in den Mittelpunkt stellen
Käßmann sagte am Donnerstag zu der von ihr losgetretenen Debatte: "Mein Gefühl ist, dass sich jetzt Menschen empören, die meinen, ich wollte ihre Freiheit einschränken. Menschen, die vor allem in meinem Alter sind." Ihr sei es viel mehr darum gegangen, die Situation der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. "Denn sie sind es, die in der Corona-Krise die massivsten Einschränkungen aushalten müssen, die am meisten leiden", sagte sie dem epd.
Die Theologin betonte: "Als siebenfache Großmutter würde ich sofort für das Wohl meiner Enkelkinder einen Schritt zurücktreten, ohne mich in unzumutbarer Weise in meinen Rechten eingeschränkt zu fühlen, wenn das für sie hilfreich wäre." Auch zu der Bezeichnung "Luxusgeneration" stehe sie: "Und damit meine ich ausdrücklich die Menschen meines Alters. Die Generation der 60- bis 70-Jährigen."
Es gehe nicht um geldwerten Luxus. "Sondern darum, dass sie weder den Krieg noch die harten Entbehrungen danach erleben mussten, sondern ein Leben lang in Frieden und Freiheit gelebt haben - und viele Menschen dieser Generation auch in materieller Sicherheit", erläuterte sie.