Schon eine halbe Stunde vor Beginn des Requiems im Münchner Liebfrauendom war am Donnerstag fast kein Sitzplatz mehr zu haben. Viele standen später deshalb in den Gängen wie sonst nur bei der Christmette. Odilo Lechner, der Alt-Abt von Sankt Bonifaz in München und Kloster Andechs, hätte bei so einem vollen Gotteshaus bestimmt seine Freude gehabt. Am 3. November war der bundesweit bekannte Benediktiner im Alter von 86 Jahren in München gestorben.
Und wie sehr dieser Mann geschätzt wurde und wie viele Menschen er geprägt hatte, wurde an der Anteilnahme deutlich.
Viele Menschen nehmen Abschied
Nicht nur weiß- und grauhaarige Häupter dominierten den Kirchenraum, auch viele jüngere Menschen waren gekommen. Darunter Prominenz aus Kirche und Gesellschaft, Fahnenabordnungen sowie Vertreter von Studentengemeinschaften, aber eben auch ganz normale Gläubige. Das Haus Wittelsbach war gleichfalls präsent, genauso wie eine große Zahl von Priestern, Ordensleuten und bayerischen Benediktineräbten. Denn in den fast 40 Jahren als Abt hatte Odilo Lechner von 1972 bis 1978 und von 1984 bis 1993 als Abtpräses die Bayerische Benediktinerkongregation geleitet.
An den Verstorbenen selbst erinnerte ein großes Foto im Altarraum. Es zeigte einen verschmitzt lächelnden Ordensmann im Habit, so wie die meisten ihn wohl in Erinnerung haben dürften: ein spiritueller Mensch, aber immer mit Schalk im Nacken. Sein Nachfolger als Abt, Johannes Eckert, dankte denn auch zu Beginn für die große Anteilnahme. Diese Verbundenheit sei für die Benediktiner ein "großer Trost".
Bereits am Vormittag hatte die benediktinische Familie ihren Mitbruder in der Krypta von Sankt Bonifaz bestattet. An den beiden Tagen zuvor gab es die Möglichkeit, im dortigen Gotteshaus persönlich Abschied am Sarg von Odilo Lechner zu nehmen, der mit einem Bouquet von weißen Rosen und seiner Mitra geschmückt war. Die Zahl der immer mehr werdenden brennenden Tee- und Grablichter sowie der niedergelegten Rosen zeigte, wie vielen dies ein Bedürfnis gewesen war.
Predigt von Kardinal Marx
In seiner Predigt nannte der Münchner Kardinal Reinhard Marx den verstorbenen Alt-Abt einen "Menschenfreund und Gottesfreund". Odilo Lechner sei wirklich ein "Zeuge des lebendigen Glaubens" gewesen.
Dabei habe er immer einen offenen Blick auf die Welt gehabt, offen für Kunst und Kultur. Unter seiner Leitung sei der Orden bewusst an die Ränder gegangen, indem er sich seither intensiv in der Obdachlosenarbeit stark machte. Überzeugend sei dieser Mann aber auch gewesen, weil er immer einen suchenden Glauben gehabt habe. Voll Freude und Zuversicht habe er sich auf Jesus zubewegt: "Danke für diesen Lebenszeugen."
Anfang November waren es 65 Jahre, dass Odilo Lechner in Sankt Bonifaz eingekleidet wurde, hatte Abt Johannes anfangs gesagt. Als Ordensmann habe Odilo Lechner mit beitragen wollen für ein "benediktinisches Bayern", ein Land, das im wörtlichen Sinne auch gesegnet sein möge. Seinen Teil dazu hat er geleistet.